das Leben

Guter Einfall, den Februar mit einer Lyrik-Passage von Octavio Paz (1914-1998) zu beginnen. 1990 war er ein würdiger Literatur-Nobelpreisträger, als aufrechter Demokrat und Mensch mit Güte. Die Gedichte des Mexikaners gelten für die lateinamerikanische Lyrik als ebenso wichtig wie die von Pablo Neruda, mit dem Paz (Frieden) in Frankreich zusammenarbeitete. Das Labyrinth der Einsamkeit (1950) mit Essays sollte man vielleicht lesen, das Buch war sehr einflussreich. 

Der Auszug stammt aus dem Gedicht Fülle von Gegenwarten und von Namen; (da steht tatsächlich am Ende ein Semikolon). Übersetzt hat es Fritz Vogelgsang für den suhrkamp-Band Gedichte anlässlich des Nobelpreis 1990 (S. 145). Der spanische Text steht darunter.

das Leben — wann denn war es wahrhaft unser?,
wann sind wir, was wir sind, in Wahrheit, wirklich?,
einzeln sind wir, genau betrachtet, niemals
was anderes als Taumel, Schwindel, Leere,
Spiegelfratzen, Entsetzen und Erbrechen,
nie ist das Leben unser, stets von andern,
das Leben eignet keinem, alle sind wir
das Leben — Sonnenbrot für alle andern,
all diese andern, die wir sind, wir selber —,
ich bin ein andrer, wenn ich bin, und meine
Taten sind mehr noch mein, sind sie auch aller,
um selbst zu sein, muss ich ein andrer werden,
mich selbst verlassen und mich suchen unter
den andern, die nicht sind, wenn ich nicht da bin,
den andern, die mir volles Dasein geben,
ich bin nicht, Ich gibt es nicht, immer sind wir
als wir, das Leben ist ein andres, immer
jenseits von dir, von mir, nur Horizont stets,
Leben das uns verlebt und uns entfremdet,
uns ein Gesicht erfindet, es verwittert,
Hunger nach Sein, o Tod, das Brot von allen,

Die andern, das sind los otros.

— ¿la vida, cuándo fue de veras nuestra?,
¿cuándo somos de veras lo que somos?,
bien mirado no somos, nunca somos
a solas sino vértigo y vacío,
muecas en el espejo, horror y vómito,
nunca la vida es nuestra, es de los otros,
la vida no es de nadie, todos somos
la vida — pan de sol para los otros,
los otros todos que nosotros somos —,
soy otro cuando soy, los actos mios
son más mios si son también de todos,
para que pueda ser he de ser otro,
salir de mi, buscarme entre los otros,
los otros que me dan plena existencia,
no soy, no hay yo, siempre somos nosotros,
la vida es otra, siempre allá, más lejos,
fuera de ti, de mi, siempre horizonte,
vida que nos desvive y enajena,
que nos inventa un rostro y lo desgasta,
hambre de ser, oh muerte, pan de todos,

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