Der Junggeselle / Gedichte 3
Da sind noch ein paar Gedichte im Ordner. Und die müssen raus. Nach dieser hitzigen Gedichtphase schrieb ich noch das Epos Das Jahrhundertrennen, das ja auch auf manipogo zu lesen ist (ins Suchfeld rechts oben eingeben), und derzeit interessiere ich mich fürs Theater, und bei mir sollen sich die Leute auch in Reimen unterhalten, wie das vor 400 Jahren bei Molière und Calderón de la Barca der Fall war.
Der Junggeselle
Richard Hodgson war dabei, als achtzehn-zweiundachtzig die Society
for Psychical Research entstand in London, die berühmte, die
die Forschung über Geister aufnahm und mit Eifer bald im ganzen Land
Britannien nach wahren Episoden suchte und, zu hunderten, sie fand.
Als Richard dreißig war, drei Jahre später, wanderte er aus nach Nordamerika.
Eine entsprechende Society gab’s mittlerweile sogar da,
in Boston weit im Osten. Siebenundachtzig wurde er dann deren Präsident
und blieb es achtzehn Jahre bis zu seinem Tod, ein unbestechlicher Regent.
Denn Hodgson ging zu Medien, untersuchte sie und spürte es: Betrug!
Das gab es oft. Das Geld! Was zu dem allgemeinen Skeptizismus dann beitrug.
Doch eine Frau schaffte es schließlich, Hodgson zu bekehren:
Leonora Piper, die berühmte. Er fing bald an, die Geisterwelt zu ehren.
Das ging so weit, dass er um neunzehnhundertvier sich auf den Tod schon freute.
»Kann’s kaum erwarten!« rief er aus. Vielleicht, dass er’s bereute,
denn bald, an Weihnachten im Jahr darauf, war es soweit.
Ein Herzanfall. Er war erst fünfzig, ja, für jeden kommt die Zeit.
Und ein paar Wochen später war er, geistig, auch schon wieder da.
Ließ sagen, dass alles okay. Das Medium war die Piper Leonora.
Verstorbene haben ja zum Medium nicht immer direkten Kontakt.
Da gibt es einen Geist, der seine Worte weitergibt, doch tut er das mit Takt.
Na gut: nicht immer. Hodgsons Geist, sein zuverlässiger »Control«
Erwähnte eine Dame, einen Heiratsantrag … Frau Piper fragte, was das soll?
Denn Richard Hodgson war überall bekannt als ein eiserner Junggeselle.
Der wollte niemals heiraten, nie, auf überhaupt gar keine Fälle.
Der Geist beharrte: Ich war dort, Chicago, sie heißt Misses Densmore.
Der Psychologe William James, er kannte diese Frau, doch er beschwor,
dass Hodgson sie nicht kennen konnte. Nie. Und er fuhr zu ihr hin,
worauf sie dann bestätigte, was James vom Geist erfuhr. Ja, Richard wollte eine Ehe,
sie aber wollte diese nicht und bat ihn, dass er ihre Ablehnung verstehe.
Da sagte James: Das scheint mir überzeugend, ja, da ist ein starker Fall.
Fast ein Beweis. Es wussten nur zwei Menschen, und von drüben kam der Ball.
Ψ Ψ Ψ
Die weiße Frau von Aldershot
Sommer achtzehnhundertachtzig. Der Krimkrieg ist schon
fünfundzwanzig Jahre her; seitdem hat England flott
das Kriegshandwerk verstärkt und dann in Aldershot
unten in Hampshire zehntausend Mann gepackt in eine Garnison.
In der Kaserne auch: das fünfte Regiment, Kavallerie, das sind die Reiter.
Im Kasino sitzen oben an der Tafel vierzehn Mann
Nach einem Marsch ohne ein Pferd; hier wird es dann
das Essen geben, danach den Feierabend. Drum die Stimmung: heiter.
Sie sind wohl müde, aber es sind harte Burschen, und vor allem jung
Sind sie. Sie lachen, trinken, und der Abend kommt in Schwung.
Den Saal betritt ganz plötzlich eine Frau, gehüllt in weiße Seide.
Sie geht zum obern Teil der Tafel, den bräutlichen Schleier vorm Gesicht.
Steht da, mit dunklen Haaren, traurig, und die Männer sieht sie nicht.
Geht weiter und schlüpft in die Küche, die Frau im weißen Abendkleide.
Feldadjutant und Hauptmann Norton setzt sich auf ihre Spur.
Doch in der Küche hat sie niemand wahrgenommen.
Sie war doch da, aus Fleisch und Blut, ist hergekommen!
Man diskutiert erregt, wir haben sie gesehn, wo ist sie nur?
Wir sind in England. Und die Soldaten sagen: Ja, es muss
Dann wohl ein Geist gewesen sein. Was sagt uns dieser Schluss?
Der Oberst Vandeleur denkt nach, dann fällt ihm etwas ein:
„War’s nicht die Frau von Tierarzt X., sie lebt nicht mehr,
sie starb in Indien, und auf Erholungsurlaub ist wohl er,
soviel ich weiß; doch warum sollte hier sie sein?“
Am nächsten Tag dann wusste man’s. Der Arzt war nah.
Er lag in seiner Stube oberhalb der Küche, krank.
Ein Diener brachte Brandy Soda ihm, den er auch trank.
Und um halb neun am Morgen fand er ihn tot im Bette da.
Feldadjutant Norton musste dann sein Zimmer räumen,
die Habe des Verstorbnen ordnen, und er meint zu träumen:
Sein Blick fällt auf das Foto einer schönen Frau
Im Brautkostüm; so konnten sie die Frau doch gestern erst erleben!
Sie kam wohl, um dem Sterbenden den letzten Beistand noch zu geben.
Und Nortons Augen werden groß: Nun weiß er es genau.
Im Buch Real Ghost Stories erzählte William Stead, was wir hier lasen.
Die Offiziere haben unterzeichnet: Hauptmann Norton,
Sportjournalist Jack Russel, Aubrey File, Hauptmann Joe Benion,
und der Regimentsarzt, dessen Namen aufzuzeichnen sie leider vergaßen.
Ψ Ψ Ψ
Drei Männer für Mrs Bowering
Leslie Flint war Schotte und ein starkes Medium,
in dessen Beisein viele Tote sprachen. Er blieb stumm,
saß nur dabei und wartete, in Dunkelheit.
Ein „Direktstimmenmedium“ war er, und das ist eine Seltenheit.
Das zweite Jahr des Zweiten Weltkriegs; es kam Alice Bowering
Zu einer Sitzung, Geld war knapp, und Flint sie gern empfing.
Die Frau war vielleicht Ende sechzig. Gleich löscht man das Licht.
Und da ist Mickey, Flints Kommunikator drüben, und er spricht:
»Ich habe einen, der heißt Fred, war früher mal Ihr Ehemann.«
Frau Bowering: »Das stimmt.« Ob sie ihn sprechen kann?
Na sicher. Seine Stimme ist im Raum, die beiden reden ganz intim,
darum hört Leslie weg, die Unterhaltung gilt nicht ihm.
Dann lacht Fred laut. »Was für ein Einfall, meinen Körper auszugraben,
ihn zu verbrennen, um die Urne dann auf dem Kamin stehen zu haben!
Weißt du, ich kenne Bowering, er war dein zweiter Ehemann.
Wir treten meistens auf zu zweit und helfen dann und wann.
Wir mögen uns. Und auf dem Sims stehn ja auch seine Überreste.
Doch wir sind hier, vergiss die Urnen, ist für dich das Beste.«
Frau Bowering war jedoch nicht zum Plaudern hergekommen.
Sie wollte nochmal heiraten und hatte sich nun vorgenommen,
sich die Erlaubnis einzuholen – für Mister Wilson, Nummer drei.
Die beiden alten Ehemänner gaben gern sie frei.
»Mach’s«, sagten sie, »wir wollen dich nur glücklich sehen.
Wer liebt, wird unsre Ansicht wohl verstehen.«
Das Licht ging an, und Leslie Flint fragte nun irritiert:
»War es auch so? Fred exhumiert, verbrannt und deponiert?«
Und Alice Bowering gab’s zu. Fred sollte nicht so einsam sein,
doch war es schwierig. Und sein Ring war nun an ihrem Fingerlein.
Sie ging, und Flint sah sie nicht wieder. Erst nach vielen Jahren.
Er dachte: wohl verheiratet, und glücklich. Was musst’ er erfahren?
Wilson war faul und arm und hatte »dreckige Manieren«.
Frau Bowering war unglücklich, musste ihn finanzieren.
Die Frage, Jahre später, war: »Warum habt ihr mir nichts gesagt?
Mich nicht gewarnt? Ich bin enttäuscht. Bin nun verzagt.«
Die beiden Männer sagten nur: »Du wolltest es, und wir
Sind nicht allmächtig. Die Entscheidung war von dir.«
Alice war sauer. Doch kam sie später oft zu Flint zurück,
auch wenn die dritte Ehe nicht bescherte ihr das große Glück.
Der Wilson starb vor ihr, und später starb sie, hochbetagt.
Und Leslie Flint hat, wie er schrieb, sich oft gefragt,
wer drüben bei ihr sei, Mann eins oder Mann zwei,
und was mit Wilson wäre, Bowerings Mann drei?