Ostern in Rom, 1581

Hab schon begriffen: Herr de Montaigne interessiert nicht besonders. Aber er hat Ostern in der Heiligen Stadt miterlebt, im Jahr 1581, und das ist schon was und muss noch in manipogo rein. Ich hätte eigentlich Anfang Mai nach Rom reisen wollen, und nun muss man das um ein Jahr verschieben wie so vieles. Italien hat es schwer getroffen, der ganze Tourismus dorthin ist dahin, für dieses Jahr und vermutlich noch darüber hinaus. 

DSCN0097Rom ist leer, wie viele andere europäische Metropolen auch, was höchstens den Vorteil hat, dass Papst Franziskus mal zu Fuß seinen Vatikan durchstreifen und dabei auch beten kann, weil ihn keiner stört. Sein Vorgänger Martin V. fand 1420 Rom im Frieden vor, aber »durch Pest, Krieg und Hungersnot in so tiefes Elend herabgesunken, dass es kaum das Antlitz einer Stadt trug«. 100 Jahre später verwüsteten die Legionäre Karls V. die Stadt total, es war der berüchtigte Sacco di Roma. Zur Zeit von Montaignes Besuch mag die Stadt 60.000 Einwohner gehabt haben, doch ging es aufwärts. Am Petersdom wurde gebaut, die Kuppel wurde zehn Jahre danach, 1591, fertig. Zum Karfreitag 1581 vermerkt Michel de Montaigne, was dieses Jahr undenkbar ist:

Etwas, was ich nie wieder, weder hier noch sonstwo so imponierend und großartig fand, war die unglaubliche Menge Volk, die sich an diesem Tag in der ganzen Stadt der religiösen Anbetung hingab, besonders wieder in eben diesen Gesellschaften. … (Es) DSCN3024schien bei Anbruch der Dunkelheit die Stadt gänzlich in Feuer zu stehen, als die Brüderschaften in geordnetem Aufzug gegen St. Peter marschierten und jeder eine Kerze — meist aus weißem Wachs — in der Hand trug. Ich glaube, dass da vor mir zwölftausend Fackeln zum mindesten vorüberzogen; denn von acht Uhr abends bis Mitternacht war die Straße ununterbrochen mit diesem Aufzug angefüllt, der dabei so wohl geordnet und ruhig sich bewegte, dass nie eine Lücke oder eine Unterbrechung zu bemerken war, obwohl es die verschiedensten Scharen waren, die aus allen möglichen Richtungen gekommen waren. Jede Körperschaft hatte eine starke Musikbande und sang fortwährend beim Marschieren. In der Mitte des Zugs kam eine Schar von Büßern, die sich mit Stricken geißelten; es waren mindestens fünfhundert Menschen, die sich den Rücken ganz zerfleischt hatten und erbärmich bluteten.

Zu jener Zeit ritt man durch die Stadt und äugte zu Fenstern empor, an denen käufliche Frauen saßen. Doch die Kurtisane hatte ausgespielt; Papst Julius bestimmte, dass sie gelbe Ärmel tragen mussten, um sie von den »anständigen« Frauen zu unterscheiden. Noch um 1500 waren Kurtisanen, die Escort girls der damaligen Zeit, reguläre Begleiterinnen von Bischöfen und Kardinälen. An Ostern nicht, da war alles ernst.

Die Damen genießen an diesem Tag (dem Karfreitag) jede Freiheit; die ganze Nacht über sind die Straßen voll von ihnen, und sie gehen fast alle zu Fuß. Gleichwohl scheint die Stadt tatsächlich zu ganz anderen Sitten bekehrt zu sein, vor allem was ihre sonstige Zügellosigkeit betrifft. Alle feurigen Blicke und übrige verliebte Aufführung ist verschwunden.

Makaber das folgende Schauspiel; die christliche Kirche war immer eine Meisterin der Zeremonien. Peter und Paul wurden ja, wie wir vorgestern erfuhren, an die Stelle der Stadtgründer Romulus und Remus gesetzt.

Am Tag vor Ostern sah ich in San Giovanni in Laterano die Häupter des heiligen Paulus und des heiligen Peter, die dort vorgezeigt werden. Die Fleischteile, Farbe und Haarwuchs sehen aus, als ob sie lebten. Das Gesicht St. Peters ist weiß, ein wenig länglich, die Haut purpurfarbig und Vollblütigkeit verratend, der geteilte Bart grau; das Haupt ist mit einer Papstmitra gekrönt. St. Paul ist schwarz, hat ein breites und volleres Gesicht und einen stärkeren Schädel, der Bart ist grau und dicht.
Die Köpfe werden oben von einem besonderen Ort herab gezeigt. Das Volk wird durch Glockengeläut herbeigerufen, und dann sinkt von Zeit zu Zeit ein Vorhang, hinter dem die Häupter nebeneinander ruhen. Sie bleiben so viel Zeit, als man zu einem Ave Maria braucht, sichtbar, dann steigt der Vorhang wieder pöztzlich in die Höhe. Nach einer Weile senkt er sich von neuem, und das bis zu drei Malen. Die Schaustellung erfolgt vier- bis fünfmal am Tag.  

 

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.