Unser System

Man erinnere sich noch, wie immer gemahnt wurde, man dürfe das Gesundheitssystem nicht überlasten; Maßnahmen seien erforderlich. Nicht sagte man: Wir wollen euer Leben schützen! Vor elf Jahren hieß es: Banken sind systemrelevant, wir müssen sie retten. Also machte man ein paar hundert Milliarden locker und pumpte sie hinein in ein Bullshit-Gewerbe (David Graeber). Das System kommt immer zuerst. System first!

Es liegt in der Natur der Sache, dass Systeme überleben wollen. Sie sind wie Lebewesen. Störende Elemente werden ausgeschieden (etwa: kritische Mitarbeiter), und das System will dauernd expandieren, und so heißt es, die Konsumgesellschaft müsse immerzu wachsen, sonst gehe sie ein. Das System will, dass nichts mehr ihm außerhalb ist. Alles soll dazugehören, das System strebt nach Totalität.

Es vergiftete Kunst und Verlagswesen mit Geld, saugte sie aus und verleibte sie sich ein, dann griff es sich (nach dem Zusammenbruch des Ostblocks) die Länder an der Peripherie, und jetzt ist fast die gesamte Welt ein kapitalistisches System, das auf Warenproduktion und -verbrauch basiert, das die Natur aussaugt.

Das System ist technokratisch, und seine Sprache spricht für sich. Man dürfe seine »Kernfamilie« besuchen. Wurde vermutlich definiert. Kernfamilie sind die blutsverwandten Angehörigen ersten Grades … oder so. Das System strebt nach lückenloser Regelung aller Abläufe. Das fiel bislang nicht so auf, alle waren frei. Doch nun kamen strenge Regelungen, die keine Ausnahmen zuließen.

Strenge herrschte. Sie gehörte immer schon dazu, war bislang aber latent. Es ist eine streng verrechtlichte Gesellschaft, die für ihre Wohltaten Nachweise und Beweise fordert. Güte und Gnade gelten als Willkür. Niemand bekommt etwas geschenkt. Es geht um Prozente und um einzelne Euros, für manche geht’s ums Überleben, und andere — Beamte und systemrelevante Firmen — bekommen das Füllhorn drübergegossen. Andere Länder haben andere Systeme: Vetternwirtschaft und persönliche Bereicherung, Auch mancher Wahnsinn hat System.

 

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