Die Somnambule (2)

Anscheinend hat das nächtliche Reisen der Schriftstellerin Kaschnitz gefallen, sonst hätte sie nicht so oft ihre Fingerbewegung ausgeführt, die sie fortkatapultierte. Es ist ja spannend, was dann passiert. Ich habe meine diesbezüglichen Versuche aufgegeben; ich lasse mich überraschen, ob es von selbst kommt, und manchmal passiert etwas einfac deshalb, weil man darüber schreibt. Vielleicht diese Nacht?

In einem zweiten häufigeren Traum gelangt sie zu einem einstöckigen fensterlosen Gebäude, das sie betritt.

Während ich diese immer unverschlossene Tür öffne, weiß ich schon, dass das Haus innen in Schutt und Asche liegt. Ich muss es also jedesmal wieder aufbauen, was mir aber nicht die geringste Mühe macht. Es genügt, dass ich mir die Räume vorstelle und schon sind sie da, schon ist auch die Aussicht vor den Fenstern, ein baumnestandener Abhang, der tief unten in einen Park übergeht, da.

DSCN0975Auch das kennen wir aus den Aussagen von Jenseitsreisenden und Verstorbenen: Das da drüben ist die Geistige Welt, in der Gedanken Dinge sind. Mein Gott, wie glücklich wäre G. dort, die so gern Wohnungen renoviert! Alles kann man durchprobieren und wieder wegwünschen. Das Schlafzimmer mit weißen Schränken und breitem Bett erwähnt Frau Kaschnitz, das Badezimmer mit Delfter Kacheln und die Tür ins Arbeitszimmer ihres Mannes, auf den sie sich freut, für den sie das Essen herrichtet; aber dann wagt sie es nicht, die Tür zu öffnen … Vielleicht ist er ja fort oder es gibt ihn nicht.

Alles Verrückte gibt es dort, und unser Innenleben nimmt Gestalt an, unsere Ängste werden real. Dazu kann ich nur sagen, dass ich mich zu erinnern meine: Kaschnitz‘ Mann, der Archäologe Guido Kaschnitz von Weinberg, wurde dement und landete in einer Heilanstalt, wo er 1958 starb, zehn Jahe vor Tage, Tage, Jahre. Sie mag gefürchtet haben, ihn in seinem letzten Zustand wiederzusehen, denn sie stellt sich vor, »er ist nur eine Puppe, ausgestopft, stumm …«

Der dritte Teil der Geschichte ist einem Mann gewidmet, einem Bekannten, der zugab, auf seinen Reisen eine Frau zu verfolgen, die seine Liebe zurückwies. Er stört ihre neue Liebesbeziehung auf jede erdenkliche Weise und richtig mies, ohne es bewusst zu wissen. Marie Luise Kaschnitz schreibt so richtig:

DSCN0959Die schöpferische oder zerstörerische Macht, die einer im halben Traum ausübt, kann seine Lebenskraft aufzehren, so friedlich er, von seiner Zweiteilung erlöst, am Ende auch einzuschlafen scheint.

Das ist die Geschichte von Dr. Jekyll (der Gute), der sich nächstens in Mr. Hyde (der Böse) verwandelt und von dieser Spaltung zerstört wird. Das ist  von Robert Louis Stevenson. Auch Eifersucht aus dem Jenseits ist belegt. Rabiate abgelehnte Liebhaber bedrängen die Frau im Schlaf oder stören sie beim Sex — Brad Steiger hat Fälle dazu in seinem Buch Haunted Lovers (1971) aufgeführt. Männer bringen Frauen um, wenn diese sich von ihnen trennen wollen, und manche rächen sich als Geister.  In der unteren Astralwelt gibt es leider viele bösartige Wesen, und Fall drei zeigt, dass auch unser Unterbewusstsein, wenn ungezähmt und unerkannt, viel Schaden anrichten kann. Da braucht man ein Exorzismus-Ritual.

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