Pauline Roland
»Ich will in gänzlicher Gleichheit und Freiheit leben«, schrieb Pauline Roland 1830, als sie 25 Jahre alt war. 40 Jahre nach Beginn der Französischen Revolution war wieder alles beim alten. Freiheit und Gleichheit galten nicht für die Frauen und nicht für die Armen, und »Brüderlichkeit« hieß das dritte Motto auf den blutbespritzen Fahnen der Revolutionäre, von Schwestern hörte man nichts. Nur einmal, doch, ja: 1791.
1791 schrieb Olympe de Gouges eine Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin und wurde dafür zwei Jahre später aufs Schafott geschickt. Sie kämpfte auch gegen die Sklaverei und gegen die schlechte Behandlung unehelicher Kinder. Olympe de Gouges wurde 45 Jahre alt.
1805 kam Marie Désirée Pauline Roland in Falaise zur Welt, und durch ihren Erzieher, Herrn Desprez, lernte sie die Saint-Simonisten kennen und begeisterte sich für deren Lehre. Es war ein utopischer Sozialismus, der ein Industriezeitalter wollte, das allen Menschen diente. Seit 1825 mussten Frauen hart arbeiten. 1840 erschien eine Untersuchung über die Kohlenbergwerke, wo »Frauen auf allen vieren und wie Hunde angespannt die Förderkarren durch die niedrigen Gänge zogen« (schreibt Benoîte Groult in ihrem Buch Wie die Freiheit zu den Frauen kam, in dem sie Pauline vorstellt). Die Arbeitstage dauerten 12 bis 16 Stunden, und in den Textilmanufakturen schuftete eine Million Menschen, zur Hälfte Frauen und Kinder, für Hungerlöhne und kümmerte in erbärmlichen Unterkünften dahin.
Pauline Roland geht als junge Frau nach Paris, absolviert ein Literaturstudium und schriebt für die Zeitschrift der Bewegung von Saint Simon. Einige Male verliebt sie sich, bekommt von ihren Männern drei Kinder, bleibt aber stets der Heirat abgeneigt. Was sagt sie?
Niemals werde ich bereit sein, irgendeinen Mann zu heiraten in einer Gesellschaft, die ich nicht dazu bewegen kann, meine völlige Gleichheit mit demjenigen zu akzeptieren, an den ich mich binden oder vielmehr verkaufen würde. (1830)
Ich protestiere gegen die Ehe, weil sie, so wie sie eingerichtet ist, die Minderwertigkeit der Frau gegenüber dem Mann konstatiert. (1850, vor dem Generalstaatsanwalt)
Frau Groult sagt über sie:
Bei Pauline wird das Fleischliche laut und ungehindert zu Wort kommen, doch niemals stärker als das Herz, und sie wird sich ausschließlich Männern schenken, die sie für ihren Glauben gewinnen oder der Verzweiflung entreißen will, wodurch die im Grunde eine Art geheiligter Prostitution verkörpert.
Pauline lebt mit einem Partner in Paris, unterrichtet und setzt sich für die Gleichheit der Geschlechter im Schulwesen ein. 1848 sehen die Feministinnen ein, dass ihr Kampf für gleiche Rechte für die Frau verloren ist. Im aufgeheizten Klima nach der bürgerlichen Revolution von 1848 werden Sozialisten verfolgt, und Sozialistinnen sind auch in Gefahr. Im Proletariat wurden Hilfsvereine gegründet, etwa der Näherinnen, der Schuster, der Wäscherinnen und der Schmuckhändler, die Essen verteilten und Opfern von Arbeitsunfällen halfen. Diese Vereine galten als verdächtig.
Jeanne Deroin, Louise Nicaud und Pauline Roland, die solche Vereine leiten, werden festgenommen. Alle drei vertreten vor Gericht den Wunsch nach staatsbürgerlicher Gleichheit mit den Männern. Am 2. Januar 1851 werden sie nochmals inhaftiert, wieder freigelassen, doch als am 6. Februar die Polizei wieder kommt, gibt es keine Rettung mehr. Pauline soll an einem Aufstand teilgenommen haben und sagt dazu: »Mit dem Herzen war ich dabei.«
Pauline Roland wird nach Algerien deportiert und findet das in Ordnung: Da ist ja die Gleichheit der Frau; auch Frauen sollen deportiert werden. Am 22. Juni beginnt die Reise, und das Jahr 1852 muss sie in Lagern aus Schuppen und Hütten leben, in denen hunderte Häftlinge dahinsterben. Die Gnade des Königs kommt zu spät. Auf der Rückreise erkältet sie sich, die schon vorher elend schwach war, und zu ihren Kindern nach Paris schafft sie es nicht mehr. Pauline Roland stirbt am 16. Dezember 1852 in Lyon, 47 Jahre alt.