Judit

Eines Morgens Anfang Oktober wachte ich mit dem Namen Judit im Kopf auf. Es war aber nicht allein der Name; ich spürte, mir sei im Schlaf gesagt worden, ich solle das Buch Judit in der Bibel lesen. Es ist nicht lang: 16 Abschnitte auf 22 eng bedruckten Seiten in meiner Ausgabe. Das liest man in einer Stunde. Einen Aspekt will ich hervorheben (und die Geschichte nacherzählen).

Nebuchadnezzar_4Nabuchodonosor war seit 12 Jahren König der Assyrer in Ninive. Er führte Krieg gegen König Arphaxad und schickte Boten in alle westllichen Gebiete, um Soldaten für seinen Krieg zu gewinnen. Doch keiner nahm ihn ernst; die Boten kehrten unverrichteter Dinge zurück. Da schwur  Nabuchodonosor, er werde alle Einwohner Kilikiens, Damaskus‘ und Syriens, die Moabiter, die Ammoniter, die Judäer und Ägypter aus Rache vernichten, wenn er siegreich bleibe. Im siebzehnten Jahr seiner Herrschaft wurde Arphaxad besiegt und getötet. Nun entsandte der »Großkönig, der Herr der ganzen Erde«, seinen Stellvertreter Holophernes mit 120.000 Mann und 12.000 beritteneen Bogenschützen gegen die Menschen im Westland mit dem Befehl: »Ihre Erschlagenen sollen ihre Täler anfüllen, jeder Bach und Strom soll mit ihren Leichen bis zum Überströmen angefüllt sein!«

Holophernes lässt auf seinem Weg alles zerstören, die Jungmänner umbringen und die heiligen Haine zerhauen. So kam er nach Judäa. Die Israeliten, erst kürzlich aus der ägyptischen Gefangenschaft heimgekehrt, befestigten ihre Siedlungen und verschanzten sich in den Bergen. Die Truppen des Holophernes, mittlerweile auf 170.000 Mann angewachsen, zogen nun gegen Betylua. Sie bemächtigten sich deren Wasserquellen, und allmählich wuchs die Verzweiflung in der Stadt. Bürgermeister Ozias beschwichtigte sie:

Habt Mut, Brüder! Fünf Tage noch wollen wir durchhalten; inzwischen wird der Herr, unser Gott, sein Erbarmen uns zuwenden; denn er wird uns nicht für immer im Stich lassen. Kommt uns aber in dieser Zeit keine Rettung, dann will ich euren Worten entsprechend handeln.

Die Bürger wollten sich dann dem Feind ausliefern. Von diesen Worten hörte Judit, die Witwe des Menasse. Sie fastete viel, weil sie trauerte, doch: »Sie besaß eine schöne Gestalt und sah sehr blühend aus.« Sie ließ die Oberhäupter der Gemeinde rufen und hielt ihnen eine Rede:

Nun, wer seid ihr denn, dass ihr am heutigen Tag Gott versucht und euch mitten unter Menschen über Gott gestellt habt! So wollt ihr nun den allgewaltigen Herrn prüfen und werdet doch in Ewigkeit nichts erkennen. … Hört mich an! Ich will eine Tat vollbringen, deren Kunde bis in fernste Geschlechter zu den Söhnen eures Volkes dringen wird. … Forscht nicht weiter nach, was ich zu tun vorhabe, denn ich werde euch nichts mitteilen, bis das vollendet ist, was ich zu tun gedenke.

Da betete Judit lange, und dann schmückte sie sich und machte sich schön. Mit ihrer Leibmagd begab sie sich ins Lager Holophernes‘. Alle staunten über die Schönheit ihres Antlitzes. Judit hielt alsdann wiederum eine Rede, die in den Sätzen gipfelte:

Denn deine Sklavin ist gottesfürchtig und dient Tag und Nacht dem Himmelsgott. Nun will ich bei dir bleiben, mein Herr! Des Nachts wird deine Dienerin ins Tal hinausgehen; ich will zu Gott beten, und er wird mir sagen, wann sie ihre Sünden vollbracht haben. Dann will ich kommen, um es dir zu berichten. Du wirst mit deiner ganzen Kriegsmacht ausrücken, und kein einziger von ihnen wird dir widerstehen können. 

Holophernes gefällt das: Sie will ihre Leute verraten. Drei Tage bleibt Judit im Lager, und am vierten Tag findet ein Festmahl statt. Holophernes lädt Judit ein und sagt zu seinem Kämmerer: »Denn fürwahr, eine Schande wäre es für uns, eine solche Frau laufen zu lassen, ohne Verkehr mit ihr gehabt zu haben.« Sie trifft ein, glanzvoll geschmückt. Holophernes ist erregt und begehrt heftig danach, sie zu besitzen. Sie möge mit ihm trinken, fordert er sie auf. Doch vor allen Dingen trinkt er: so viel, »wie er noch nie an einem Tag seines Lebens getrunken hatte.«

OIP.Vexdr2hIIRUmGkSibECFhwHaI6Judit bleibt im Zelt mit ihm, dem völlig betrunkenen Feldherrn. Sie betet um Kraft und trennt ihm sodann mit dem Schwert das Haupt vom Rumpf. Den Kopf steckt die Magd in ihren Brotsack. Dann ruft Judit, sie wolle hinaus, um zu beten. Man lässt sie gehen. Mit ihrer Magd erreicht sie Betylua und zeigt ihre Trophäe. (Illustration: Judit mit dem Haupt von Holofernes, Christofano Allori, 1613) Sie ruft aus:

Der Herr hat ihn durch Frauenhand geschlagen. So wahr der Herr lebt, der mich auf meinem Weg, den ich einschlug, beschützte! Mein Antlitz hat ihn zu seinem Verderben berückt. Doch beging er keine Sünde mit mir und hat mich nicht schandvoll befleckt.

Sie rät, den Kopf auf die Zinnen zu stecken und sich zum Gegenschlag zu rüsten. Tatsächlich geraten die Truppen des Holophernes in Panik und fliehen. Die Israeliten dringen in das Heerlager ein, Judit bekommt das Zelt des Holophernes mit allen Reichtümern, lädt sie auf und fährt heim. Sie pries lange den Herrn und feierte mit ihren Leuten in Jerusalem.

Viele begehrten sie als Frau; aber kein Mann durfte sie berühren, solange sie lebte, seit ihr Mann Menasse tot war. Sie wurde recht betagt und erreichte im Haus ihres Mannes ein Alter von 105 Jahren. Ihrer Magd schenkte sie die Freiheit. Sie selbst starb in Betylua, und man begrub sie in der Grabhöhle ihres Mannes Menasse.

♣ ♥ ♠

Der Herr hat ihn durch Frauenhand geschlagen. Wir sind Seine Instrumente und müssen etwas tun, statt abzuwarten. Wenigstens ein Opfer bringen müssen wir — in der Hoffnung, dass etwas zurückkommt. Doch nur warten und flehen ist schwach. Wir kennen den Willen Gottes nicht; aber vielleicht verwirklicht er sich durch uns? Uns wird gesagt, was zu tun ist.

Ich dachte dabei an die hübsche Geschichte des Rabbis, der Gott anfleht, ihn im Lotto gewinnen zu lassen. Dann sagt ihm ein anderer Rabbi: »Eine Chance musst du Gott dem Herrn schon geben. Füll‘ endlich einen Lottoschein aus!«

 

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.