Ostatni etap

Ostatni etap ist polnisch und heißt: die letzte Etappe. Wanda Jakubowska (1907-1998) hatte den Film 1947 an Originalschauplätzen gedreht, also im ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, das erst zwei Jahre zuvor befreit worden war. Man kann ihn auf Youtube sehen, mit portugiesischen Untertiteln, die entscheidend weiterhelfen. Die Regisseurin verarbeitete eigene Erlebnisse. Das Unbeschreibliche wurde hier beschrieben und erzählt.

Wanda Jakubowska war in Auschwitz. Vielleicht hatte sie das Glück ihrer Protagonistin Marta Weiss (Barbara Drapinska), als Übersetzerin gebraucht zu werden. Frau Jakubowska erspart uns nichts (bis auf den Blick in die Gaskammer) und zeigt die tätigen Wachmannschaften und Oberaufseherinnen und Lagerchefs als die, die sie waren: Bestien und Sadisten.

Wir erinnern uns: Die deutsche Freiwillige Selbstkontrolle hatte es sogar geschafft, Roma città aperta von Rossellini zensiert vor dem Publikum erscheinen zu lassen, damit die Deutschen ja nicht als Folterer zu sehen seien. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die Division Reichsführer-SS in Italien schreckliche Massaker anrichtete. In Marzabotto und in Sant’Anna di Stazzema wurden jeweils um die 600 Zivilisten, meist Frauen und Kinder, gnadenlos erschossen. Die Deutschen hatten irgendwie noch die Berserker und Vandalen im Blut und wüteten in Europa mit einer Grausamkeit, die seinesgleichen suchte.

077Der Film Die letzte Etappe spielt im Frauenlager von Auschwitz-Birkenau. Die Frauen leben in ihrem Häftlingsblock und müssen morgens zum Zählappell antreten. Wenn jemand geflüchtet war, mussten sie auch zehn Stunden in der Kälte ausharren, zur Strafe. In der Medizinbaracke hat man eine Weile Ruhe. Dann ruft die Oberaufseherin wieder zu einer Selektion, und die tausend, die auf die Lastwagen steigen, werden zur Gaskammer transportiert, und der Lagerchef kündigt das Eintreffen telefonisch an. Der Film ist wertvoll, weil er unerbittlich ist. Es kam vor, dass ein Wachsoldat zum Spaß seine Mütze wegwarf und einem Häftling befahl, sie zu holen; und als er hinlief, galt dies als Fluchtversuch, und der Mann erschoss ihn. So zum Spaß.

Am Ende des Films soll Marta, die geflüchtet war, aufgehängt werden. Sie beschimpft und demütigt den Lagerkommandanten, — doch dann erscheinen Flugzeuge am Himmel und feuern. Alle flüchten, es ist die Endphase des Lagers, und Marta muss nicht sterben. Schließlich überlebte ja auch Wanda Jakubowska, die Regisseurin, die auch weiterleben wollte, um der Welt, die nicht lesen will, die Wahrheit zu zeigen. Gemessen an Stil und Handlung des Films, kommt einem Martas Rettung irgendwie zufällig vor, wie das Überleben im Lager etwas Zufälliges war.

078Theodor W. Adorno hat einmal gesagt, nach Auschwitz könne man kein Gedicht mehr schreiben, und vielleicht stammt von ihm auch der Gedanke, dass man nach Auschwitz jedem Happy end misstrauen müsse; wie will man das Überleben von einigen wenigen feieren, wo Millionen ohne Chance und ohne einen rettenden Engel direkt ins Gas gehen mussten? Doch Film behandelt das Leben und braucht Hoffnung. Vielleicht hätte man überhaupt keine Filme über die Nazi-Todeslager drehen sollen: Bilderverbot! Doch so etwas kann man nicht vorschreiben, nur der Islam kann so etwas. Dem Film Ostatni etap kann man Kapo von Gillo Pontecorvo (1960) zur Seite stellen, der gleichfalls in einem Frauenlager spielt. Kapo mit Susan Strasberg als der jungen Edith ist ein großartiger Film und so grausam, wie es geht; die wirkliche Wirklichkeit der Lager kann man nicht zeigen, es war zu fürchterlich.

 

 

 

 

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