Gebrauchtes

Unsere Welt: klinisch, steril, viel Plastik und Metall. Viel Stein. (Swedenborg schreibt, Stein gebe es in den unteren Sphären; weiter oben gibt es vornehmlich Holz.) Luxuriöse Wohnungen, zu sehen in deutschen Fernsehkrimis, sind seit Jahrzehnten karg möbliert, in Weiß gehalten und sehr sauber. Morgens hört man aus den Wohnungen den Staubsauger, selten Musik. Als Kontrapunkt daher ein schönes Gedicht vom jungen Bertolt Brecht.

Von allen Werken

077Von allen Werken die liebsten
Sind mir die gebrauchten.
Die Kupfergefäße mit den Beulen und den abgeplatteten
Rändern
Die Messer und Gabeln, deren Holzgriffe
Abgegriffen sind von vielen Händen: solche Formen
Schienen mir die edelsten. So auch die Steinfliesen um alte
Häuser
Welche niedergetreten sind von vielen Füßen, abgeschliffen
Und zwischen denen Grasbüschel wachsen, das
Sind glückliche Werke.

Eingegangen in den Gebrauch der vielen
Oftmals verändert, verbessern sie ihre Gestalt und werden
köstlich
Weil oftmals gekostet.
Selbst die Bruchstücke von Plastiken
Mit ihren abgehauenen Händen liebe ich. Auch sie
Lebten mir. Wenn auch fallen gelassen, wurden sie doch getragen.
Wenn auch überrannt, standen sioe doch nicht zu hoch.
Die halbzerfallenen Bauwerke
Haben wieder das Aussehen von nicht vollendeten
Groß geplanten: ihre schönen Maße
Sind schon zu ahnen; sie bedürfen aber
Noch unseres Verständnisses. Andrerseits
Haben sie schon gedient, ja, sind schon überwunden. Dies alles
Beglückt mich.

 

Bertolt Brecht, Gesammelte Gedichte, Band I, S. 386, edition suhrkamp, Frankfurt 1981.
Illustration: altes Schachspiel, London, British Museum.

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