Geister in der Londoner U-Bahn (2)

Bahnhöfe werden immer durchreist oder von Reisenden aufgesucht. Da bleibt nur, wer sonst keine Bleibe hat oder den letzten Zug versäumt hat; oder ein Geist, der am Bahnhof spukt. Manche Verstorbene können sich nicht von einem Ort trennen, der ihnen einmal etwas bedeutet hat. Im folgenden Fall hängt ein Geist an einem Lebenden und erscheint immer nur diesem. Mehr über Geistererscheinungen hatte ich Mitte November veröffentlicht.   

Das häufige Auftreten einer melancholischen Gestalt hat dem Covent-Garden-Untergrundbahnhof den fragwürdigen Beinahmen des Bahnhofs des Londoner Transport-Systems eingetragen, auf dem es am häufigsten spukt. Es fing in der frühen 1960er-Jahren an, als Jack Hayden Diensthabender auf dem Bahnhof war. Man schrieb die Woche von Weihnachten, und Hayden war im Gemeinschaftsraum der Belegschaft, um etwas in ein Logbuch zu schreiben. Es war ungefähr halb eins mittags, und alles war ruhig, als plötzlich ein Türgriff knackte.

Der Diensthabende schaute von seiner Schreibarbeit auf und gewahrte eine Gestalt, die altmodische Kleidung trug, die an jene der Jahrhundertwende erinnerte, und sein Gesichtsausdruck war traurig. Mr Hayden sagte: »Ich glaube, Sie haben sich verlaufen, Sir. Die Aufzüge zu den Zügen sind oben.« Der Fremde bewegte sich nicht. Als Mr Hayden jedoch aufstand und Anstalten machte, dem Mann den Weg zu zeigen, löste sich die Gestalt in Luft auf.  

Da er sich dachte, dass die Müdigkeit seinem Gehirn einen Streich gespielt habe, machte sich Mr Hayden keine Gedanken darüber, bis am folgenden Montag morgen ein Gepäckträger kam, der auf dem Bahnsteig gearbeitet hatte und im Gemeinschaftsraum eine seltsame Gestalt vorfand, die Mr Hayden ansah. Als der Träger den Raum betrat, löste sich die Figur auf. Der Träger war so schockiert, dass er ohnmächtig wurde. Als er sich wieder erholt hatte, beschrieb Mr Hayden ihm den Fremden, und der Träger stimmte zu, dass es dieselbe Gestalt gewesen sei, die er gesehen hatte. Das traumatische Erlebnis hatte auf den Gepäckträger eine solch erschütternde Wirkung, dass er London Transport den Rücken kehrte und schwor, nie wieder den Bahnhof von Covent Garden zu besuchen. 

Bahnhof Chicago (Illinois), 1949. Foto: Stanley Kubrick. (courtesy Library of Congress)

Nach weiterem Nachdenken über die Sache entschied sich Hayden, dem Stationsvorsteher Mr A. Jones von dem Vorkommnis zu unterrichten und seinen Rat darüber einzuholen, was die richtigen Maßnahmen unter diesen eigenartigen Umständen seien. Jones schlug vor, dass man sich an die Zeitschrift Psychic News wenden solle mit der Absicht, die Ereignisse zu untersuchen und vielleicht eine befriedigende Antwort zu finden. Psychic News waren sehr interessiert, und einer ihrer Forscher besuchte Jack Hayden und sprach mit ihm eingehend über die Geschichte.

Man kam zu dem Entschluss, dass in dem Gemeinschaftsraum eine Séance abgehalten werden solle und dass sie, je nachdem, wie das Resultat ausfallen würde, darüber sprechen würden, welche weiteren Schritte zu unternehmen wären, um den Geist zu identifizieren. Die Seance wurde durchgeführt, und Hayden bekam später einige Fotos zu sehen, auf denen er in dem Geist William Terris erkannte, der 1900 in The Strand ermordet wurde, das von Covent Garden gerade um die Ecke liegt. 

Man nimmt an, dass William Terris einen Abendanzug trug, was daran denken lässt, dass er das nahegelegene Opernhaus von Covent Garden besucht hatte. Der Geist von William Terris schien eine Vorliebe für Mr Hayden zu besitzen, weil ihn der Diensthabende fast jeden Tag in einem anderen Teil des Bahnhofs sah, etwa zwei Jahre lang. Er hatte keine Angst vor dem Geist und versuchte, mit ihm zu sprechen, aber die Gestalt war traurig und mürrisch, als ab sie von unbarmherziger Tragik umwittert sei. Schliesslich wurde Jack Hayden befördert und verliess den Bahnhof. Arbeiter der Instandhaltungsgruppe haben William Terris’ Geist bei zahlreichen Gelegenheiten gesehen, da sie meistens nachts arbeiten.

Hayden hat offensichtlich eine starke Affinität zum Geist von William Terris, denn als er Bahnhof Covent Garden einen gezielten Besuch abstattete, sah er ihn wieder, ›wie aus Fleisch und Blut‹, als ob er gewartet habe, dass Hayden zurückkommen würde.

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.