Geister in der Londoner U-Bahn
Heute vor 150 Jahren wurde die Londoner Untergrundbahn eröffnet, London Underground, die älteste U-Bahn der Welt. Sie wird auch die »Tube« (Röhre) genannt. Darüber kam gestern Abend auf CNN ein Bericht, und da fiel mir ein, dass ich ja noch Manuskript über die Unterwelt habe, mit schönen U-Bahn-Geistererscheinungen: wieder eines meiner nie erschienenen Werke. Ich verwende die Teile, die in London spielen. Ich holte sie mir aus dem Buch Railway Ghosts von William Berry Herbert (1985).
Schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts konnte eine Stadt wie London ihren Verkehr nicht mehr bewältigen. Man dachte an unterirdische Anlagen. Den Bau der Kanalisation hatte man ja schon hinter sich, die technischen Voraussetzungen waren da. Am 10. Januar 1863 wurde die erste Linie der Londoner Untergrundbahn eröffnet, und Baker Street war der erste Bahnhof, der errichtet wurde. Damals fuhren noch Dampflokomotiven qualmend durch die Tunnels. Erst 1879 stellte Werner von Siemens in Berlin die erste Elektrolok vor, und 1890 war die City and South London Railway die erste elektrifizierte Strecke der Welt. Der Plan der U-Bahn, die »Tube Map«, wurde von vielen anderen Städten kopiert und ein Designklassiker.
No tube: Fahrradröhre, ZürichIn der Bank Station beklagten sich Bahnarbeiter oft über einen stechenden Geruch, der normalerweise an offene Gräber erinnert. Zudem wurde im Garten der nahen Bank of England ein Geist gesehen, der mit Sarah Whitehead identifiziert wurde. Sarah war die Schwester eines Bankangestellten, der 1811 als Scheckfälscher gefasst wurde und zum Tode verurteilt wurde für eine Handlung, die damals ein Kapitalverbrechen darstellte. Sarahs Geist wurde vor Kummer verwirrt, und für den Rest ihres Lebens ging sie regelmäßig zur Bank Station, um ihren Bruder zu suchen. Nach ihrem plötzlichen Tod wurde sie in einem alten Friedhof bestattet, der zerstört wurde, um einem der Eingänge der Untergrundstation Platz zu machen.
Um zwei Uhr am 2. März 1951 fiel der Blick eines Ingenieurs der Londoner Transportgesellschaft, der an einem Ende des unteren Bahnsteigs des Bahnhofs Ickenham in der Nähe von Uxbridge arbeitete, auf eine Frau mittleren Alters, die einen roten Schal trug und ihm winkte. Sie bedeutete ihm, er solle ihr die Treppen hinunter folgen. Er gehorchte ihr, jedoch entschwand sie plötzlich aus seinem Blickfeld, als sie die letzte Stufe der Treppe erreicht hatte. Der Ingenieur begriff immer noch nicht, dass er einem Geist gefolgt war und hielt weiter nach ihr Ausschau; dann erst verstand er. Auch andere Eisenbahnarbeiter wollen diesen Geist gesehen haben. Anscheinend war die Frau vor vielen Jahren auf eine Führungsschiene gefallen, und gelegentlich kehrt sie zum Schauplatz ihres tödlichen Unfalls zurück.
Der Bahnhof Highgate High Level, die sich an einem Einschnitt mit Tunnels an beiden Enden befindet, besitzt eine drückende Atmosphäre. In den ersten Jahren dieses Jahrhunderts soll ein Mann in einen der Tunnels hineingegangen sein, einem Zug entgegen, um Selbstmord zu begehen, und sein Geist soll an dem Ort spuken. Der Bahnhof wurde 1941 für die Erweiterung der Northern Line von Finsbury Park nach Alexandra Palace−East Finchley völlig umgebaut. Die Arbeit wurde jedoch nie fertiggestellt, und die Erweiterung wurde gestrichen. Die Linie wurde 1971 aufgelassen.
Das Bahnhofsgebäude steht verloren in dem Einschnitt, ohne Gleise und fast schon überwuchert von Laubwerk, was eine unheimliche Stimmung erzeugt. Menschen, die an dem Bahnhof standen, fühlten sich beobachtet. Andere, die in der Nähe der aufgelassenen Strecke bei Highgate und Crouch End leben, behaupten, sie hätten nachts das Geräusch von Zügen gehört.
Lindau-Reutin