Witwenverbrennung

Ein Beitrag aus der Reihe »schreckliche Gebräuche der Menschheit«. Für ein Manuskript hatte ich das Thema Witwenverbrennung bearbeitet, und ich las Sir James Fraser dazu und schrieb: »Der Tod der treuen Frau sollte die rasche Wiederaufnahme der Ehe im Himmel sichern. Noch im Jahr 1987 opferte sich die junge Inderin Roop Kanwar im Bundesstaat Radschasthan auf, und ihr Freitod wurde von Tausenden verfolgt.«

Schon am Anfang des indischen Epos Mahãbhãrata stößt man darauf. Pãndu besiegt alle umliegenden Völker, kehrt reich zurück und gibt sein Königreich in die Hände des Bruders. Dann zog er mit seinen Gattinnen Kunti und Mãdri in die Wälder, um zu meditieren und zu jagen. In Indien ging man nach vollbrachtem Leben mit 60 in den Wald. Vielleicht war Pãndu ja schon alt, denn eines Frühlings gab er der Versuchung des Fleisches nach, starb aber in den Armen seiner geliebten Königin Mãdri. Kunti als die Ältere bot an, ihrem Mann auf den Scheiterhaufen zu folgen, doch Mãdri setzte sich durch, bestieg den Scheiterhaufen Pãndus und verbrannte in den Flammen.

Der erste Bericht einer Witwenverbrennung in Indien stammt aus dem 1. Jahrhundert vor Christus. Zwei Witwen folgen dem toten Heerführer Keteus auf dem Scheiterhaufen. Allerdings war der Brauch wohl eher bei Königshäusern verpflichtend; auf dem Dorf blieb die Witwenverbrennung, die freiwillig war, ein seltenes Vorkommnis.

Auf den Fidschi-Inseln (Ost-Melanesien) wurden, und dies wahrscheinlich seit frühester Zeit, Witwen wie in Indien auf eigenen Wunsch entweder erdrosselt oder lebendig mit ihrem Ehemann begraben. Weiße beobachteten das öfter im 19. Jahrhundert. Ein Mann namens David Whippy meinte es einmal gut, berichtet uns der englische gelehrte Ethnologe J. G. Frazer (berühmt geworden durch das Buch Der goldene Zweig), jagte die Mörder fort, rettete die Frau und belebte sie im eigenen Haus wieder. Aber sie war weit davon entfernt, dafür dankbar zu sein! Im Gegenteil, wenn immer sie Whippy traf, schrie sie ihn an und brachte ihm unversöhnlichen Hass entgegen.

Ähnlich wie in Indien garantiert der freiwillige Tod, dass sie im Reich der Geister die Lieblingsfrau des Verstorbenen bleibt. Das Opfer sei jedoch nicht immer freiwillig; doch wenn eine Frau sich weigere, sich erdrosseln zu lassen, wurde sie oft von ihren Verwandten dazu gezwungen. Auch Zaudern ist unheilvoll. Beim Begräbnis von König Ulivu, das von einem Mr Cargill miterlebt wurde, sollten seine fünf Frauen zu Tode stranguliert werden. Die Hauptfrau nahm umständlich Abschied von den Ihren, wurde darauf von König Tanoa gescholten, der dann, um die Sache zu beschleunigen, mithalf, das Seil um ihren Hals zu legen. Dann erdrosselte er die Frau, obwohl sie seine Tante war, und diesen »Dienst«, schreibt Frazer sarkastisch, soll er einige Jahre zuvor auch seiner eigenen Mutter »erwiesen haben«.

Als Ra Mbithi, der Stolz von Somosomo, auf See verschollen war, brachte man alle seine siebzehn Frauen um, und auf die Nachricht eines Massakers hin mussten bei den Namea in Viwa 1839 gleich 89 Frauen freiwillig oder unfreiwillig die Geister ihrer Ehemänner begleiten. Die Körper der toten Frauen wurden im Grab zuunterst gelegt, damit sie ihrem toten Ehemann als Kissen dienen konnten. Man bezeichnete sie als »Gras« (thotho). J. G. Frazer kommentierte, dass man nie gehört habe, dass je Ehemänner geopfert worden seien, um den Körpern ihrer Frauen als weiche Unterlage zu dienen. Freilich, wenn es sich um Dienstboten handelte, starben Frauen und Männer ohne Unterschied. Den toten Häuptling Mbithi von Mathuata mussten seine Frau und fünf Männer mit deren Frauen »begleiten«. Man legte sie auf Strohmatten und den Körper des Häuptlings obendrauf. Hätte ein Bediensteter den Freitod abgelehnt, wäre er im sozialen Leben wie tot gewesen; er wäre verachtet worden, und so zogen wohl auch vielen Frauen den Tod vor.

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