Guerra und Binda

Gestern betitelten sich Sergio und Cena mit »Guerra« und »Binda«, den Pedalhelden der 1930-er Jahre. Allerdings schrieb Don Gastone ein Buch über den spanischen Bürgerkrieg, der 1936 begann, und im selben Jahr beendete Binda schon seine Karriere. In Romanen darf es solche Unklarheiten geben, die Handlung spielt anscheinend in der ersten Hälfte der 1930-er Jahre; und wir sorgen für Klarheit über Learco Guerra und Alfredo Binda.

330px-Learco_GuerraGuerra und Binda sind beide im Jahr 1902 geboren. Learco Guerra, die »menschliche Lokomotive« (Bild rechts), hatte 1930 sein großes Jahr, denn er wurde Zweiter bei der Tour de France und bei der Straßenweltmeisterschaft. 1934 holte er sich den Giro d’Italia, doch weitere Erfolge blieben aus. Trotzdem rangiert er in der Radsport-furios-Liste der 50 besten Fahrer (erstellt hat sie Daniel Marszalek aus Polen) auf Platz 36.

Costante Girardengo (1893-1978, Bild links), der von 1919 bis 1925 fast unschlagbar blieb, liegt in der Liste auf Platz 27. Er Costante_Girardengo_1914betrachtete Guerra immer als seinen Nachfolger, weil er Alfredo Binda nicht leiden konnte, diesen kühlen, berechnenden Champion. Hoffnungslos überlegen war er obendrein und immer siegreich über Learco Guerra. In der ewigen Bestenliste: Platz 16. Damit ist er der erfolgreichste Vorkriegs-Athlet.

Im Radsport zählen nicht nur Kraft und Temperament; einen Champion zeichnet mehr aus. Wer die richtige Charaktermischung in sich vereint, sieht man später. Binda hörte 1936 auf und starb mit 84 Jahren in seiner Heimatstadt Cittiglio. Learco Guerra beendete erst 1942 seine Karriere und starb 1963 an der Parkinson-Krankheit.

Alfredo Binda übernahm also die Führungsrolle von Girardengo. Allerdings sprechen wir von Italien, dem radsportverrückten Land. Der Giro war genauso schwer wie die »Tour« und brachte im Heimatland den größtmöglichen Ruhm. Beides ging nicht. Ab 1930 starteten zudem Nationalmannschaften.

Aus Radsport furios:

Alfredo Binda hatte 1929 den Giro d’Italia schon vier Mal gewonnen, und zuletzt holte er sich acht von 14 Etappen. Für 1930 bot Armando Cougnet, der „Patron” des Giro, Binda 22.500 Lire, damit er zu Hause bliebe. Der Star willigte ein, nahm an der Tour de France teil, wo er zwei Etapen gewann und bestritt andere Rennen, wobei er die Summe noch einmal einfuhr. Das Jahr 1930 war finanziell ein blendendes Jahr für ihn. Binda, ein vollendeter Gentleman, aber gnadenlos als Rennfahrer, siegte auch ein fünftes Mal bei der Rundfahrt in seinem Heimatland: 1933. Drei Mal wurde er Weltmeister … Als Trainer der italienischen Nationalmannschaft führte er Bartali, Coppi und Nencini zu vier Siegen bei der Tour de France.

Noch eine Anekdote über Binda:

Alfredo_Binda_3Der Italiener Alfredo Binda war 1927 erster Straßenweltmeister (vor Girardengo) und war im Jahr zuvor durch seinen Sieg bei der Lombardei-Rundfahrt berühmt geworden. Regen und Hagel dezimierten die gestarteten 69 Fahrer, nur 24 kamen an. Binda fuhr die »letzten« 158 der 252 Kilometer der Etappe alleine und hatte in Mailand eine halbe Stunde Vorsprung. Als er nach der Siegerehrung im Zug heimfuhr, sah er immer noch letzte Fahrer sich in Richtung Ziel vorankämpfen.

Bindas Geheimrezept waren angeblich rohe Eier, die ihm Freunde an strategischen Stellen der Etappe hinhielten. Er zerschlug das Ei dann am Lenker und schlürfte es aus. Als 80-Jähriger hat er schmunzelnd erzählt, wie es mit diesen Anekdoten ist: »Jedesmal, wenn jemand die Lombardei-Geschichte erzählt, fügt er ein Ei hinzu. In manchen Büchern steht, ich hätte achtundzwanzig verzehrt. Skandalös für Ärzte und Diätexperten, die an meine arme Leber dachten. Achtundzwanzig Eier sind schon etwas viel, aber wenn es der Legende hilft, warum nicht?«


Die Bilder sind aus den Wikipedia-Beiträgen zu den jeweiligen Sportlern.

 

 

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