Manoel de Oliveira
Ich beschäftigte mich ein paar Wochen mit der portugiesischen Sprache, weil wir im Heim kurzzeitig eine Bewohnerin aus Portugal hatten. Um zu hören, wie diese Sprache klingt, sah ich mir ein paar Filme des Regisseurs Manoel de Oliveira (1908-2015) an, fünf Filme, nicht sechs. Über sie lässt sich einiges sagen.
Bei den Lebensdaten Oliveiras habe ich mich nicht vertippt: Er ist tatsächlich 106 Jahre alt geworden und war zuletzt der älteste noch aktivste Regisseur der Welt ― und der einzige, der schon in der Stummfilmzeit gedreht hatte, 1931 schon. Zum Glück hat Youtube einige seiner Filme in voller Länge.
Ich will gleich sagen, dass Manoel de Oliveira nichts für den heutigen Publikumsgeschmack hergibt. Seine Filme sind wortlastig, langatmig und gedankenschwer. Sie verströmen Ruhe, dabei aber auch Beunruhigung. Da die Filme des Portugiesen international beachtet wurden, musste er gängige Sprachen wählen. Im ersten Film sprechen die Protagonisten meist Englisch, im zweiten Französisch.
Angefangen habe ich mit O Convento (Der Konvent), 1995 gedreht mit John Malkovich und der immer noch schönen Catherine Deneuve. Er spielt einen Professor auf Recherche, sie seine Frau. Im Konvent treffen sie den unheimlichen Kustoden und eine feenhafte Bibliothekarin an, und nach einigen Tändeleien geht es in einen Zauberwald, da wird es mystisch. Das Paar reist ab, wir erfahren im Abspann als Text, was geschah, wie es ein Fischer erfuhr, doch nicht alle halten den Fischer für glaubhaft …
Mit Vorfreude gab ich mich der Reise an den Anfang der Welt hin (Viagem ao principiou del mundo), 1997 entstanden, weil Marcello Mastroianni (1924-1997) in seiner letzten Rolle den alternden Regisseur Manoel spielt, der sich an seine Kindheit erinnert. Es ist ein road movie mit zwei jüngeren Männern und einer Frau (die Fee aus dem vorigen Film), die Manoel oder Marcello im Auto begleiten und betreuen. Da wird viel philosophiert, aber man folgt der wenig spektakulären Handlung gern.
O Carta (Der Brief) drehte de Oliveira 1999, und seine weibliche Hauptdarstellerin war Chiara Mastroianni, die Tochter des Paares Mastroianni/Deneuve. Sie, Chiara, heiratet einen prominenten Arzt, wird aber von einem portugiesischen Rockmusiker verfolgt, der ihre Gunst zu erringen hofft. Leider hat Chara wenig Ausstrahlung: Wenn man sie ansieht, wird man gleich müde (sie erinnerte mich etwas an Angela Winkler, eine deutsche Schauspielerin aus den 1980-er Jahren); der Arzt sieht aus wie Frankreichs Präsident Macron, und der Rockmusiker trägt klobige Schuhe, Glatze und Sonnenbrille, und dass er einen roten Ferrari fährt, ist noch das Beste, was man über ihn sagen kann. Nach einer halben Stunde habe ich die Segel gestrichen; das war mir zu öde.
Francisca ist zweieinhalb Stunden lang, aber da gab ich schon nach zehn Minuten auf, als zwei Männer sich in einem Landhaus über Byron und die Romantik unterhalten. Vielleicht war ich nicht in der richtigen Stimmung.
Dafür hielt ich bei Palabra e Utopia die ganzen zwei Stunden durch. Denn da wird portugiesch gesprochen (mit englischen Untertiteln). Behandelt wird das Leben von Antonio Vieira, einem Pater, der fast das ganze 17. Jahrhundert erlebte. Er gilt als einer der größten Redner und Rhetoriker seines Landes, und seine Predigten sind noch heute im Umlauf. Vieira war ein Kämpfer. Er missionierte Indos in Guatemala und verwendete sich bei seinem König dafür, dass man sie nicht umbrachte, und er verteidigte die Juden. Mehrmals saß er vor der Inquisition und wurde bestraft. Dann aber reiste er nach Rom und wurde vom Papst begnadigt. Im Film predigt er ausgiebig und leidenschaftlich von vielen Kanzeln, diktiert Schriftstücke, reist durch die Welt, schaut zurück auf sein Leben und stirbt.