Viral Beats
»Viren sind eigentlich nichts anderes als genetische Information«, lese ich in dem Artikel Viren und virale Erkrankungen von Siegfried Sulzenbacher im neuesten Naturheilkunde Journal aus Kulmbach. Die Information ist in eine Proteinhülle verpackt. Damit das Virus sich fortpflanzen kann (was es will), benötigt es einen Wirt, in den es seine Information einschleusen kann. Wenden wir das Bild auf unsere Medienwelt an.
Auch die Information über Corona in all ihren Facetten wirkt wie ein Virus. Sie wird über die Zeitung (durchs Auge) oder übers Radio/Fernsehen (übers Ohr) aufgenommen und dringt in uns ein. Die Information lagert sich in unserem Gehirn an. Freilich, bei jedem Konsumenten wirkt sie anders. Aber unaufhörlicher Beschuss mit Corona-Informationen erhöht die Virenlast; bald sind wir gründlich infiziert und denken nur noch an Corona. Eine Corona-Phobie hat uns ergriffen.
So ist das seit über 11 Monaten. Ich, der diplomierte Journalist, lese keine Zeitungen und sehe nie fern. Leider kommt man zuweilen an einem laufenden Fernseher vorbei und muss ein paar Minuten Morgenmagazin, Notruf Hafenkante oder die Rosenheim-Cops mitansehen, schlimm genug.
Diese psychische Corona-Infektion, die die gesamte Welt betrifft, wirkt genauso stark wie physische und ist nicht zu unterschätzen. Früher versuchten faschistische Systeme mit einem Trommelfeuer aus Drohungen und Warnungen im Bürger eine Gehirnwäsche zu erzielen und ihn dahingehend zu manipulieren, dass er Juden, Bolschewiken oder Fremde hassen oder zumindest fürchten sollte. Nun ist so etwas durch das konzentrierte Wirken der Massenmedien entstanden, die der freiheitlichen Gesellschaft verpflichtet sind. Von allen Seiten wird aus allen Rohren mit Corona-Munition geschossen. Seit fast einem Jahr herrscht bei vielen Angst.
Mark Twain in seiner Autobiographie über die Cholera-Epidemie 1849:
Die Menschen am Mississippi waren gelähmt vor Angst. Wer weglaufen konnte, tat’s. Und viele starben auf der Flucht, vor lauter Angst. Wenn die Cholera einen tötete, starben drei aus Furcht.
Vor über zehn Jahren waren meinem Mitautor und mir bei der Arbeit am Blog futura9 aufgefallen, dass die Medien zunehmend einhellig ein Thema behandelten, sich darauf stürzten, nur um sich bald von ihm abzuwenden und das nächste detailliert zu verwursten. Später kamen dann die social media hinzu, auf denen es heute heißt, eine Geschichte sei im Netz »viral« geworden. Etwas kann sich durch die Art der Kommunikation lawinenartig verbreiten, und man kann an Marshall MacLuhan denken: The medium is the message. Es geschieht, weil es möglich ist.
Die Leute, die an Verschwörungen glauben oder einen düsteren Gedanken hinter dem ganzen Gewese vermuten, irren sich. Die mediale Monokultur steckt im System. Es herrscht ein hoher sozialer Druck, über das zu schreiben, über das auch die andren schreiben; nie war dieser Druck stärker. Man meint fast, es hat zu diesem totalitären Zug in der Medienberichterstattung kommen müssen. Die Demokratie — die Herrschaft des Volkes —wird leicht zu einer bedrückenden Herrschaft der Mehrheit, als was immer sie verstanden wird. Da bilden sich Merkmale heraus, die eigentlich zum Sozialismus gehören, und nicht einmal unter großem äußeren Druck sind sie entstanden, sondern einfach deshalb, weil man sonst finanziell untergeht oder zum Außenseiter wird. Anpassungsdruck!
Die Mehrheit macht mit ihren Platitüden alles platt. Das geschieht auch, weil die Medienschaffenden sich nur am Volk orientieren und das berichten, was bei diesem ankommt. Goethe hat einmal gesagt, die Leute müssten lesen, »was sie lesen sollen, nicht was sie lesen wollen«. Das klingt arrogant und elitär. Wir hingegen haben jegliche Kontrollen und Eingangspforten abgeschafft — bei uns in der Ausbildung um 1980 hieß es noch, der Journalist sei der Torwächter, der »gatekeeper« —, und analog zur schrankenlosen Massenproduktion heißt es: alles raus, volle Feuerkraft! Das ist der Rückweg zum uranfänglichen Ckaos, zur Ursuppe, in der bald alles verschwimmt.