Mihail und Veronica

Eine Kollegin nannte mir den Namen des bedeutendsten rumänischen Dichters, ich merkte ihn mir und erzähle nun von ihm. Mihail Eminescu heißt er, wurde 1850 geboren und starb 1889. In Veronica Micles verliebte er sich als junger Mann, und ihr widmete er seine Gedichte, sie betete er an, doch die Verbindung zu legalisieren schaffte er nicht. Lieder schwärmte er sie an. 

Wir haben sogar viele Briefe, die sie einander schrieben und Gedichte, die sie einander widmeten, denn auch Veronica war Poetin. Mihail Eminescu hieß eigentlich Eminovici und war der Sohn eines Gutsbesitzers aus Czernowitz, der ihn zum Philosophiestudium nach Wien schickte. (Spätere rassistische und judenfeindliche Artikel gehen, so meint man, auf Wiener Einflüsse zurück, und auch Adolf Hitler soll in Wien beeinflusst worden sein.) Später in Berlin studierte Eminescu Schopenhauer und Kant. Deutsche Philosophie und Literatur durchtränkten später sein Werk.

330px-Nestor_Heck_-_Veronica_Micle_2Er verliebte sich 1875 in Veronica Micles, die jedoch verheiratet war. Es wurde dennoch eine romantische Liebe, doch als Veronicas Mann gestorben und die Bahn frei war, scheute Eminescu vor einer Heirat zurück. Doch die Verbindung blieb tief. 1883 erkrankte er und wurde in eine psychiatrische Klinik gebracht, Folge der Syphilis oder vererbter Geisteskrankheit. Mihail Eminescu kam immer wieder in die Klinik, zuletzt im Frühjahr 1889. Im Juni starb er, Anfang August folgte ihm Veronica. (Rechts ihr Bild, unten der das Eminescus auf dem rumänischen 500-Lei-Schein.)

500_lei._Romania,_2005_aEminescu war der Wegbereiter einer rumänischen Nationalsprache, sagt man. Seine Gedichte sind spätromantisch und schwärmerisch, wie man Ende des 19. Jahrhunderts eigentlich nicht mehr schrieb. Schopenhauer lag dem jungen Rumänen, und sicher kannte er auch Heine, Goethe und Novalis. Eminescus Liebesgedichte haben Stil und wirken entrückt — wie aus einer anderen Zeit. Ich entnehme sie einer Seite über deutsche/europäische Liebeslyrik, und der Link führt zu vielen Eminescu-Gedichten, weshalb ich mich auf drei beschränken kann.

 

Märchenkönigin

Weiße Nebel sind vom Monde
Silberglänzend ausgeflossen,
Aus dem Wasser aufgestiegen,
Auf die Felder ausgegossen.

Spinngewebe zu zerreißen,
Alle Blumen sich vereinen;
An der Nacht Gewänder hängen
Beeren sie von Edelsteinen.

An dem See, um den die Wolken
Einen feinen Schatten weben,
Der durch’s Wellenspiel zerrissen,
Wie die hellen Schollen beben,

Leis das Schilf zur Seite theilend,
Steht ein Mägdlein vorgebogen,
Schüttelt lauter rothe Rosen
Sanft hin auf die Zauberwogen.

Daß ein Bild erscheine, blickt sie
Auf der Wasserkreise Gleiten,
Denn es ward der See besprochen
Von der Venus Wort vor Zeiten.

Daß ein Bild zur Fläche steige
Läßt sie junge Rosen fliehen,
Denn die Göttin hat den Rosen
Einstens Zauberkraft verliehen.

Schaut und schaut … ihr Haar ist golden,
Ihr Gesicht im Monde scheinet,
In den blauen Augen haben
Alle Märchen sich vereinet.

übersetzt von Carmen Sylva (1843-1916)

Der Stern

So unermeßlich ist die Ferne,
Aus der dies Sternbild aufgetaucht,
Daß, um den Erdball zu erreichen,
Sein Licht Jahrtausende gebraucht.

Vielleicht ist es seitdem erloschen
In jenem weiten Himmelsblau,
Wiewohl ich heut erst seine Strahlen
Auf unsrer Erde klar erschau‘.

Denn langsam durch des Himmels Räume
Schickt uns das Sternbild her sein Licht:
Es war, als wir es nicht erblickten,
Nun wir es sehen, ist es nicht!

So auch, wenn unser Glück erstorben
Im Dunkel der Vergangenheit,
Dringt noch das Licht der todten Liebe
Durch alle Weiten, alle Zeit.

übersetzt von Mite Kremnitz (1852-1916)

Gute Nacht

Tagesmüde Vögel fliegen
Schläfrig ihren Nestern zu,
Die versteckt im Laube liegen –
Gute Ruh!

Nur die Quellen seufzen bange,
Schweigend steht der dunkle Hain,
Auch der Garten schläft schon lange –
Schlummre ein!

Schwäne ziehen durch die Wellen,
Wo ihr Bett im Rohr gemacht –
Englein sich zu dir gesellen,
Gute Nacht!

Stolzer Mond aus Himmelsräumen
Strahlt auf’s Zauberbild hienieden,
Einklang überall und Träumen –
Schlaf‘ in Frieden!

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