Ève Lavallière

Ich zögerte, nahm das Buch dann doch an mich. Barbara von Blarer erzählt »der Jugend« das Leben der französischen Schauspielerin Ève Lavallière (1866-1929), die nach großen Erfolgen ins Kloster ging. Sowas liest man rasch und fühlt sich danach erhoben. Aber ein Detail wollte mir nicht aus dem Sinn gehen, und ihm gehen wir gleich nach.

OIP.3h_q30BVJB2mFtk_CK7cMgHaKbÈve Lavallière kam als Eugénie Fénoglio 1866 in Toulon zur Welt. Ihre Eltern zogen nach Nizza, wo ihr Vater als Schneider arbeitete. Er trank gern, und wenn er betrunken war, verprügelte er seine Frau, die dann mit Tochter und Sohn nach Perpignan flüchtete. Das wiederholte sich oft, denn der Vater schwor, sich bessern zu wollen, was ihm aber nie gelang. Einmal kam er nach Perpignan und griff wütend seine Frau an, und das Drama habe Eugénie »ihrer Eltern beraubt«, heißt es im Buch. Was da genau  geschah, wollte Frau von Blarer »der Jugend« wohl lieber vorenthalten.

Eugénie landet bald in Toulon und wandert verlassen umher, als sie der Marquis de Lavalette aufgabelt und sich um sie bemüht. Eugénie will unbedingt Schauspielerin werden. Der Marquis meint, sie müsse einen anderen Namen haben.

Was meinen Sie zu Lavallière? Das klingt doch ganz hübsch, nicht? Es gab schon einmal eine berühmte Lavallière, eine Louise Lavallière. Sie war mit Ludwig XIV. befreundet, verließ später den Hof des Königs und starb als vergessene Karmeliternonne.

Eigenartig, denn damit beschrieb der Marquis schon Èves künftigen Lebensweg. Sie wurde in Paris eine berühmte und verehrte Schauspielerin, häufte Reichtümer an, und als sie 1917 in Paris noch Triumphe feierte, wurde sie plötzlich krank und verschwand. Sie betrat nie wieder eine Bühne. Ève mietete ein Landgut, traf einen Pfarrer, wurde gläubig und wollte nur noch ins Kloster. Sie trat dem säkularen Franziskaner-Orden bei, leistete Armenhilfe in Tunesien und unterstützte ihre Tochter Jeanne, deren verschwenderischer Lebensstil die Mutter das gesamte Vermögen kostete.

Ève Lavallière wurde 1927 schwer krank und starb am 11. Juli 1929 in Thuillières in den Vogesen, wo sie auch bestattet wurde.

Bleibt die Frage nach dem Schicksal. Prägte sie ihr angenommener Name, eiferte sie unbewusst Louise Lavallière nach? An unbewusste Lenkungen sollte man nicht glauben, eher an die Aura (oder das Karma) eines Namens, der (oder dem) man nicht entkommt. Oder war sie eine Reinkarnation der Louise? Nein, Reinkarnationen sind nicht Kopien früherer Leben, eher Weiterentwicklungen. Wir denken zu sehr in der Kategorie Ursache/Wirkung. Vielleicht gibt es eine vorherbestimmte Dramaturgie in unserem Leben, auch wenn uns der freie Wille gegeben ist: eine Neigung, ein Grundzug, ein Sog, zu stark, um ihnen widerstehen zu können. (Dahin passt der manipogo-Betrag Das magische Leben. Darin geht es um die Geschichte, die uns vielleicht lebt.)

330px-Estampes_par_Nicolas_de_Larmessin.f104.Françoise-Louise_de_la_Baume_le_Blanc,_duchesse_de_La_VallièreLouise de la Vallières wurde 1644 geboren und kam an den Hof Ludwigs XIV., dessen Mätresse sie alsbald wurde. Die 17-Jährige liebte ihren König und wurde wiedergeliebt. Sechs Jahre dauerte die Beziehung, während der sie zwei Söhne zur Welt brachte, bevor sie von der schönen Marquise de Montespan verdrängt wurde. 1670 wurde Louise schwer krank, dachte immer häufiger an die Nachfolge Christi und zog sich als 30-Jährige in den Karmel in Faubourg St. Jacques zurück. Dort lebte sie unter Entbehrungen noch 36 Jahre, bis sie 1710 starb.

 

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