Augustus wird deutlich
Wir möchten manchmal einem Verstorbenen etwas erzählen. Und denen geht es genauso: Sie möchten sich mitteilen. Augustus Pearl Martin rief andauernd nach »Robbins«. Rector — der Kontrollgeist des Mediums Eleonora Piper — fing den Ruf auf und arrangierte ein Treffen mit Anne Manning Robbins und dem Medium. Das war fast zwei Jahre nach Martins Tod, an Weihnachten 1904. Die Geschichte erzählte Michael Tymn Anfang März in seinem Blog.
Augustus Martin war Bürgermeister von Boston gewesen, danach Polizeichef und Wasserkommissar, und acht Jahre lang stand ihm Frau Robbins als Sekretärin zur Seite. In seiner neuen jenseitigen Umgebung kam er noch nicht zurecht. Nichts natürlicher, als nach seiner bewährten Assistentin zu rufen! Rector aktivierte seinen Freund Hiram Hart (natürlich auch er ein Jenseitiger), der Martin beruhigte und seine Worte weitergab. Dass Mrs Piper als Medium wichtiger war als Anne Robbins, wusste Martin noch nicht. Frau Robbins wollte wissen, wie es ihm nach seinem Tod erging. Das berichtete er:
Als ich Abschied nahm, war mein Geist umwölkt und ziemlich verwirrt. Ich hatte das Gefühl, durch den Raum zu fliegen, wusste nicht wohin und trieb so wohl über Stunden dahin, und dann spürte ich, wie eine feste Hand mich packte und zu mir sagte: »Es ist gut, alles ist vorbei.« Und ich fragte: »Was ist vorbei?« Ich konnte nicht begreifen, was das alles bedeutete, und nach einer Weile, vielleicht nach einer Stunde oder nach zwei Stunden, sah ich ein Licht, o was für ein Licht! Du kannst dir es nicht vorstellen, kannst dir nicht ausmalen, wie es ist. Es ist der strahlendste und dabei der sanfteste Mondschein, den du je gesehen hast, und ich dachte mir, was für ein wunderschönes Licht! Und plötzlich sah ich, wie Menschen sich bewegten. Ich sah ihre Köpfe und ihre Gestalten. Sie waren übrigens alle weiß gekleidet, und ich konnte sie nicht genau sehen. Sie bewegten sich durch die Luft.
Man konnte sich nichts Seltsameres und Schöneres vorstellen, aber in einem gewissen Sinn war die Verwirrung nicht so schön … doch in dem Augenblick, als diese Hand auf meinem Arm war, sah ich langsam deutlich; und von diesem Augenblick an ging es für mich vorwärts, und ich habe alle gesehen, die ich kannte und hatte die glücklichste Zeit, die du dir nur vorstellen kannst. Ich habe ein Haus nur für mich und lebe darin genauso wie ihr in euren Häusern, ganz genau so. Ich habe Wände, ich habe Bilder, ich habe Musik, ich habe Gedichte, ich habe alles … Es ist kein Faksimile jenes eures Lebens, das ein kümmerlicher Schatten dessen ist, was hier tatsächlich stattfindet, und wenn ich stärker werde, also mehr daran gewöhnt bin, dieses Licht zu benutzen, kann ich euch mehr darüber erzählen.
Da sei ein Geist hinter ihm, sagt Augustus Martin, und zwei weitere habe er neben sich, und er spreche und Hiram Hart gebe alles weiter. Namen und Orte seines irdischen Lebens vergesse er immer mehr, doch sie, Anne, werde er nie vergessen. Er erinnere sich an seine Krisen, an die Besprechungen, die sie zusammen gehabt hätten, und dies sei weiter in seinem Gedächtnis und das werde so bleiben bis ans Ende allen Lebens (denn er konnte wohl nicht sagen »bis zum Lebensende«, denn er war ja schon tot.) Wahrscheinlich war Augustus verliebt in Anne Manning Robbins, die 1909 das Buch Both Sides of the Veil (Die beiden Seiten des Schleiers) schrieb. Er teilte ihr noch mehr mit, da wird es fast intim:
Ich will noch sagen, dass ich dir manchmal Gedanken diktiere, wenn du arbeitest, und für mich ist es überraschend, wie deutlich du sie aufnimmst, … und wenn du innehalten und an mich denken würdest, dann würdest du wissen, warum du diese Dinge getan hast, jene Gedanken registriert hast. Manchmal scheint es eine Barriere zwischen dir und deinen Gedanken zu geben, sie sind nicht klar, sie scheinen etwas undeutlich zu sein, und dann klären sie sich, was du immer deinem Gehirn zugeschrieben hast, und wenn du mir zubilligen würdest, dir ein wenig geholfen zu haben, wärst du nicht im Unrecht. Es ist nicht, dass ich egozentrisch bin, aber es ist so, dass ich wirklich bei dir bin. Und etwas will ich noch sagen: Du bist im Geist nicht alt geworden und im Fleisch auch nicht. Er nimmt sich für mich so klar, so frei, so hell und so jung aus, und ich denke, dein Körper sieht genauso aus. Ich kann nicht viel Veränderung wahrnehmen. Ja, ich denke, du siehst so aus wie früher. Ich kann den Körper nicht so klar sehen wie den Geist.
Da ließ Augustus Pearl Martin ja ein paar schöne Komplimente vom Stapel. Flirt aus dem Jenseits! (Im Diesseits ging da vermutlich nichts, ihren Körper wird er nie enthüllt gesehen haben.) Es klingt alles etwas weitschweifig, doch Martin war ja Politiker und Verwaltungsbeamter, den Stil hat er beibehalten. Dann sagt er noch etwas, was uns bekannt vorkommt: Wenn ihre Augen spirituell geöffnet wären, könnte sie, Anne Manning Robbins, ihren früheren Chef vor sich stehen sehen und wie Rector seine Gesten nachahme. Die Geister sind uns nah, doch dazwischen hängt ein Schleier. Frau Robbins kannte beide Seiten.