Erhöhung
Manchmal habe ich keine Lust, mich mit dem Blog zu beschäftigen. Also schau ich mir einen Film an. Ein neuerer russischer sollte es sein, aber ich kannte außer Tarkowski keinen Namen. Also schaute ich in eine Wikipedia-Liste und suchte mir eine Frau aus, die 1977 in Berlin den Goldenen Bären gewoonnen hatte: Larissa Schepitko mit ihrem Film Der Aufstieg.
Er heißt auf Deutsch Der Aufstieg, ist aber auch als Die Erhöhung bekannt. Dieser Film hätte auch gut zum Karfreitag gepasst: eine Passion. Im Winter 1942 werden in Sibirien zwei Partisanen von den Deutschen gefasst, die dann noch eine Frau, einen alten Mann und ein kleines Mädchen zu den beiden in einen Keller sperren. Am nächsten Morgen geht die Tür auf. Liquidation. Vier der fünf Inhaftierten werden aufgehängt. Blick über die Schneelandschaft, dann konez: Ende. Fantastisch guter Film, ich dachte an ostatni etap von Frau Jakubowska.
Natürlich sind Filme etwas sehr Schönes. Auch wenn ich kürzlich das Handwerk der Regisseure Manipulation nannte, lasse ich mich doch gern hineinziehen in die Handlung. Gute Filme geben einem das Gefühl, dass alles so sein muss, und du musst einfach durch. Im Aufgang macht sich ein wichtiger Gedanke breit, den wir vergessen haben: Es gibt größere Werte als das Leben. Rybak, einer der Partisanen, bekommt das Angebot, der deutschen Polizei beizutreten, um sein Leben zu retten. Sotnikow, der andere, ist entsetzt:
Das kannst du nie abwaschen von dir. Wenn du meinst, dann leb‘ ohne Gewissen, es geht. Wir sind doch Soldaten! Soldaten! Fressen für die Würmer zu sein wäre nicht das Schlimmste … Das Wichtigste ist, sich treu zu bleiben.
Gewissen, Gewissen! höhnt Rybak. Sotnikow wird gefoltert. Dann erwacht er und sieht Portnow an, den Mann, der ihn verhört hat. Sotnikow schaut ungebrochen, triumphierend und klar … und Portnow hält seinem Blick nicht stand. »Bringt ihn weg!« knurrt er. Aufrecht geht Sotnikow zur Hinrichtung. Sie ist sein Triumph. Rybak wird am Ende versuchen, sich aufzuhängen, aber er schafft es nicht. Er hat überlebt, aber den Preis dafür wird er bis an sein Lebensende zahlen.
Larissa Schepitko hatte immer Mühe, gegen die Zensur ihre Filme durchzubringen. Sie kam 1938 im Donezbecken in der Ukraine zur Welt. Fünf Filme drehte sie von 1966 bis 1977. Einmal sagte sie: »Wenn ich diese Arbeit nicht tue, sterbe ich.« Larissa trug bei der Arbeit am Film Aufstieg dieselben Kleider wie ihre Schauspieler und litt wie sie bei minus 40 Grad. Sie gab alles. Ihr Film Flügel von 1967 ist noch interessant, den gibt’s aber nur auf Russisch ohne Untertitel.
Verheiratet war sie mit ihrem Kollegen Elem Klimow, der ihren letzten unvollendeten Film Abschied von Matjora fertigstellte, denn seine Frau kam mit vier ihrer Kollegen 1979 während der Dreharbeiten bei einem Autounfall in der Nähe von Twer ums Leben. Der Fahrer war vermutlich eingeschlafen. Tarkowski schrieb später, bei der Obduktion habe man in ihrem Blut keine Spuren von Adrenalin entdeckt. Der Tod, der in Larissa Schepitkos Filmen immer in Reichweite ist, kam schlagartig und ohne Schmerz. Sie wurde 41 Jahre alt.