„Funktionierte tadellos“

Ich kann nicht anders, ich muss 78 Jahre in der Zeit zurückgehen. Nach der Wannsee-Konferenz (20. Januar 1942) baute man mit Eile die ersten Vernichtungslager. Ein paar Millionen Menschen in Lager zu transportieren, sie dort sofort zu töten und zu verbrennen, das war für manche Funktionäre eine logistische Aufgabe, eine Herausforderung. Eines der Krematorien von Auschwitz-Birkenau wurde am 29. Jnuar 1943 fertig; der Verbrennungsofen »funktionierte tadellos«, wurde gemeldet, und ein Ingenieur namens Prüfer unterschrieb. 

Die Krematorien wurden Sonderbauten genannt, weil man in Briefen das gigantische Vorhaben gern verschleierte. Der geplante Massenmord an den Juden wurde zur Endlösung und hieß auch Sonderbehandlung. Rudolf Höß, der Kommandant von Auschwitz, erdachte Verbesserungen an der Anlage und kam auch auf das Gas Zyklon B. Raoul Hilberg schreibt in seinem Buch Die Vernichtung der europäischen Juden (Band 3, S. 945-948) :

074Höß baute seine Anlagen als kombinierte Einheiten, deren jede einen Vorraum, eine Gaskammer und einen Ofen zur Leichenverbrennung enthielt. (…) Ursprünglich hatte die Absicht bestanden, in Birkenau Krematorien mit zwei Verbrennungsöfen zu bauen, aber nach einer Besprechung mit Oberführer Kammler am 27. Februar 1942 entschied man sich für Anlagen mit fünf Öfen. Schließlich wurden zwei Einheiten mit je fünf Verbrennungsanlagen errichtet, die beide eine unterirdische Gaskammer enthielten, den sogenannten Leichenkeller, der mit einem elektrischen Aufzug zur Beförderung der Leichen versehen war. … Die Leichenkeller waren sehr groß (über 200 qm); in jeden passten 2000 Leichen. (…)

Am 13. Januar 1943 beschwerte sich die Zentralbauleitung in Auschwitz bei den Deutschen Ausrüstungswerken, dass die Schreinerarbeiten für die Krematorien noch immer nicht abgeschlossen seien und die Türen für eine der Einheiten, die zur »Durchführung der Sondermaßnahmen dringend benötigt« werde, noch nicht fertig seien. (…)  

Während sich die Verwaltung von Auschwitz mit der Fertigstellung der vier kombinierten Einheiten plagte, unternahm der Leiter von WVHA, D. (Glücks) eine Inspektionsreise durch die Konzentrationslager und stellte fest, dass sich die »Sonderbauten« (Krematorien) nicht an den günstigsten Standorten befanden. Er sprach den Wunsch aus, dass solche Sonderbauten in Zukunft an Stellen errichtet würden, wo sie »nicht von allen möglichen Leuten begafft werden können«. Höß befahl daraufhin die Anpflanzung aus Bäumen bestehender »Grüngürtel« um die Krematorien I und II. Damit war der Bau der Vernichtungsanlagen abgeschlossen.

Das war wohl Ende Februar 1943. Bald rollten die Transporte, auch 1944. Kulmhof wurde noch kurz in Betrieb genommen, Treblinka war von Leichen überfüllt und arbeitete noch im Sommer 1943, auch Sobibor. Danach, so Hilberg, »fiel die ganze Last der Endlösung Birkenau und seinen Krematorien zu«. Mitte Mai 1944 begannen die Transport aus Ungarn. 600.000 Menschen wurden erwartet. Hilberg (S. 1045/46):

Am 11. Mai 1944 arbeiteten in den Sonderkommandos der Krematorien 217 Mann. Am 30. August gleichen Jahres waren es 878 Mann, in zwei Schichten eingeteilt, die schlicht als Tag- und Nachtschicht bezeichnet wurden. Die theoretische Tagesleistung der vier Krematorien von Birkenau lag bei etwas über 4400 Leichen, doch war ihre Aufnahmefähigkeit in der Praxis wegen Ausfällen und Störungen fast immer niedriger. Im Mai und Juni wurden täglich fast 10.000 Juden vergast; als dann in der zweiten Augusthälfte die Transporte aus Lodz eintrafen, sind möglicherweise noch höhere Zahlen erreicht worden. Der Auschwitzer Spezialist für Leichenbeseitigung, Hauptscharführer Moll, ein Mann, der als Sadist von unerschöpflicher Energie geschildert wird, sah diese Entwicklung voraus und ließ deshalb acht oder neun Gruben von über 35 Metern Länge, sieben Metern Breite und knapp zweo Metern Tiefe ausheben. Das menschiche Fett wurde am Boden dieser Gruben mit Eimern abgeschöpft und in das Feuer zurückgegossen, um die Verbrennung 7zu beschleunigen. Überlebende berichten, dass Kinder manchmal lebend in diese brennende Hölle geworfen wurden.

Krematorium III in Auschwitz-Birkenau, bei einem Aufstand im Oktober 1944 zerestört

Krematorium III in Auschwitz-Birkenau, bei einem Aufstand im Oktober 1944 zerstört

 

 

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