Sylvia Plath
Ich besitze den Gedichtband Ariel von Sylvia Plath (1932-1963), die gestern als Freundin von Anne Sexton vorkam und von der manipogo noch nichts gebracht hat; darum endet erst jetzt die kleine Gedicht-Reihe mit zwei Gedichten von Frau Plath, deren Werk gar nicht mehr beachtet wird, weil der gossip überwiegt (das Herumgetratsche): ihre Beziehung/Ehe zu/mit dem Autor Ted Hughes (1930-1998) und ihre Depressionen und ihr Tod.
Erich Fried (1921-1988), selber ein wichtiger Lyriker, der in London lebte, hat die Gedichte für Suhrkamp übersetzt. Mein Buch ist aus dem Jahr 1974. Begnügen wir uns mit den deutschen Versionen.
Schaf im Nebel
Die Hügel steigen fort ins Weiße.
Leute oder Sterne
Sehen mich traurig an, ich enttäusche sie.
Der Zug hinterlässt eine Strecke von Hauch.
O träges
Rostfarbenes Pferd.
Hufe, klagende Glocken —
Den ganzen Morgen lang
Ist der Morgen schwärzer geworden.
Eine übriggelassene Blume.
Meine Knochen enthalten eine Stille, die fernen
Felder schmelzen mein Herz.
Sie drohen
Mich durchzulassen zu einem Himmel
Sternlos und vaterlos, ein dunkles Wasser.
Dann noch Die Münchner Mannequins. Meine Heimatstadt ist der Schauplatz, die ich alle zehn Jahre einmal für einen Tag aufsuche, so groß ist meine Sehnsucht. Ich kann nicht ein einziges Foto von München bieten, dieser schönen Stadt. Wenn man jedoch einsam ist, ist auch die schönste Stadt schrecklich.
Vollendung ist furchtbar, sie kann keine Kinder haben.
Kalt wie ein Schneehauch tamponiert sie den Schoß.
Wo die Eibenbäume aufblühen wie Hydren,
Der Baum des Lebens und der Baum des Lebens.
Ihre Monde loslösen, Monat um Monat, zwecklos.
Die Blutflut ist die Flut der Liebe,
Das absolute Opfer,
Es heißt: Keine Götzen als mich mehr,
Mich und dich,
So, in ihrem Schwefelliebreiz, in ihren Lächeln
Lehnen diese Mannequins heute nacht
In München, dem Leichenschauhaus zwischen Paris und
Rom,
Nackt und kahl in ihrem Pelzen,
Orangenlutschstangen auf Silberstäben,
Unerträglich, ohne Gedanken.
Der Schnee lässt seine Stücke von Finsternis fallen,
Niemand ist da. In den Hotels
Werden Hände die Türen öffnen und Schuhe
Hinstellen zum Polieren mit schwarzem Wachs,
Dass breite Zehen morgen in sie gehen.
Oh, die gezähmte Häuslichkeit dieser Fenster,
Die Babyspitzen, das grünbelaubte Backwerk,
Die dickfelligen Deutschen die schlafen in ihrem
bodenlosen Stolz.
Und die schwarzen Telefone an Gabeln
Glitzernd
Glitzernd und verdauend
Stimmlosigkeit. Der Schnee hat keine Stimme.