Der Radweg

Wir Radfahrer haben’s schwer. Die Autos dürfen geradewegs auf ihr Ziel zurasen; wir, die wir unendlich langsamer sind, werden kreuz und quer geschickt und verlieren dabei viel Zeit. Vielleicht meint man es gut: Wir sollen durch die schöne Landschaft fahren und keinen Autos begegnen. Doch es gibt Leute wie mich, die wollen das Land mit dem Rad durchqueren. Wer vorankommen will, tut gut daran, wie Armando auf der Autostraße zu fahren, anders geht das nicht.

Von Sigmaringen aus wollte ich nach Osten, und da waren Schilder, die versprachen Mengen 14 und Bad Saulgau 24. Leider folgte ich ihnen und war erst nach vier Stunden in Saulgau, das man auf der Straße (noch dazu am Sonntag bei wenig Verkehr) in zwei Stunden erreichen hätte können. Auch von Lindau über Bregenz nach Arbon folgte ich den Radwegen, die überall gut ausgeschildert sind, doch besser wäre es gewesen, den Weg entang der Straße zu nehmen. Hinterher ist man klüger.

SDC10552

Cyclist is the nigger of the road, um John Lennon abzuwandeln, der das über die Frauen gesagt hat. Klar, nigger sagt man heute nicht mehr. Das war vor 50 Jahren. Dennoch habe ich es geschafft. Mit einem Smartphone wäre es freilich einfacher gewesen, doch dann schaut man nur aufs Gerät und wird genauso blind für alles Andere wie der Autofahrer. Ferngesteuert. Sich zu orientieren ist das eigentliche Abenteuer. Man zweifelt, man ist verwirrt, man fragt, und immer gibt es einen oder drei Engel wie bei mir am letzten Tag: ein Polizist, der mir einen Schleichweg nach Weitenau empfahl und zwei Radfahrer, die wussten, dass ich hoch musste zur Kirche von Hofen und dann weiter nach Kandern.

Unvergleichlich der Triumph, wenn man, in Landsberg gestartet, elf Stunden später das Schild Lindau passiert. Erst hatte ich zum Campingplatz am See gewollt, doch nach 18 Uhr ist es fraglich, ob man eingelassen wird, und dann passierte ich das Hotel Reutiner Hof, deren Tür zur Rezeption einladend offen stand; und ich drehte um und dachte mir, okay, wenn’s geht, bleib, so musst du dein Zelt nicht aufbauen und kannst friedlich duschen. 80 Euro, das ist genehmigt. Obendrein wurde mein Vater in Reutin, dem Lindauer Stadtteil,  geboren. Nebenan war gleich die Pizzeria, meine geliebte Pizza Tonno e cipolla gab’s, zwei Weißbier auch, und dann schläfst du (aber nicht gut, nach großer Anstrengung und in der Schwüle des Zimmers war die Nacht wenig erholsam).

Bild von unterwegs: aufgelassene Industrieanlagen

Bild von unterwegs: aufgelassene Industrieanlagen

Trotzdem unglaublich das alles, du trittst zehn Stunden in die Pedale, kommst daheim an, isst etwas, und am nächsten Morgen gehst du in die Arbeit, realativ frisch noch dazu. Der Körper ist ein Wunder. Doch ist er nichts ohne die Psyche, die etwas will und ihn antreibt, und dann leistet er Auißerordentliches.

 

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.