Wilhelm Tell

Dieses Jahr muss es sein: ein Abriss des Theaterstücks Wilhelm Tell zu Ehren des heutigen Schweizer Nationalfeiertags. Vor 730 Jahren, im lang vergangenen 1291, wurde die Eidgenossenschaft durch die drei Urkantone Schwyz, Uri und Unterwalden begründet.

Friedrich Schillers Stück kennen wir vielleicht noch aus der Schule. Die Innerschweiz stöhnt unter dem Joch der Fronvögte meist österreichischer Herkunft. Soll man aushalten oder sich wehren?

Bei Schiller greift eine Frau ein. Gertrud wendet sich an ihren Ehemann Werner Stauffacher und macht ihn heiß: sich zu wehren, versteht sich. Der Landvogt Gessler sei ihm neidisch. Wolle er abwarten, bis dieser böse werde? »Der kluge Mann baut vor«, sagt sie und gibt ihren Rat:

Drum tät‘ es gut, dass eurer etliche,
Die’s redlich meinen, still zu Rate gingen,
Wie man des Drucks sich möcht’ erledigen;

Stauffacher wacht auf. »Frau, welchen Sturm gefährlicher Gedanken / Weckst du mir in der stillen Brust! Mein Innerstes / Kehrst du ans Licht des Tages mir entgegen …« Er fasst einen Entschluss:

002Nach Uri fahr ich stehenden Fußes gleich,
Dort lebt ein Gastfreund mir, Herr Walter Fürst,
Der über diese Zeiten denkt wie ich,
Auch find ich dort den edlen Bannerherrn
Von Attinghaus ― obgleich von hohem Stamm,
Liebt er das Volk und ehrt die alten Sitten.
Mit ihnen beiden pfleg ich Rats, wie man
Der Landesfeinde mutig sich erwehrt ―

Dann: der Hauptplatz in Altdorf, Kanton Schwyz. Gessler lässt einen Hut auf einem Pfahl ausstellen, den die Bürger grüßen sollen anstelle seiner. (Das erinnert an die Nationalsozialisten, die 1933 in München befahlen, wer an der Feldherrnhalle vorbeiginge, müsse den Hitlergruß leisten; viele schlichen sich, um das zu vermeiden, durch eine nahegelegene Gasse, die fortan »das Drückebergergässlein« hieß.)

Stauffacher trifft Wilhelm Tell. Ihr Dialog bildet das Grundproblem des Stücks ab: zusammenstehen oder zusehen; Solidarität oder Resignation? Tell ist der Einzelkämpfer, der von Aufstand nichts hören will.

DSCN1388Stauffacher. Mir ist das Herz so voll, mit euch zu reden.
Tell. Das schwere Herz wird nicht durch Worte leicht.
Stauffacher. Doch könnten Worte uns zu Taten führen.
Tell. Die einz’ge Tat ist jetzt Geduld und Schweigen.
Stauffacher: Soll man ertragen, was unleidlich ist? (…)
Wir könnten viel, wenn wir zusammenstünden.
Tell. Beim Schiffbruch hilft der einzelne sich leichter.
Stauffacher. So kalt verlasst ihr die gemeine Sache?
Tell. Ein jeder zählt nur sicher auf sich selbst.
Stauffacher. Verbunden werden auch die Schwachen mächtig.
Tell. Der Starke ist am mächtigsten allein.

Tell will nicht mit im Rat sein, aber mithelfen, wenn Tat gefragt ist. Ohne ihn treffen sich Stauffacher, Melchtal und Walter Fürst und schwören sich, auf Tod und Leben zusammenzustehen; bei einem zweiten Treffen reichen sie sich erneut die Hände, und alle rufen: »Wir sind ein Volk, und einig wollen wir handeln.« Das ist der Bund, der Rütlischwur, den Pfarrer Rösselmann angesichts der aufkommenden Morgenröte mit dem Satz besiegelt, den alle mit erhobenen Schwurfingern nachsprechen:

Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern,
In keiner Not uns trennen und Gefahr.

DSCN1387Der vierte Aufzug: Tell unter Druck. Er hat es versäumt, den blöden Hut zu grüßen, der Landvogt nimmt Anstoß und zwingt ihn zum Apfelschuss … und Tell gelobt sich danach, Gessler bald zu töten. Die Gelegenheit dazu bietet sich in der 3. Szene. Tell mit der Armbrust:

Durch diese hohle Gasse muss er kommen,
Es führt kein andrer Weg nach Küßnacht ― Hier
Vollend ich’s ― Die Gelegenheit ist günstig (…)
Mach deine Rechnung mit dem Himmel, Vogt,
Fort musst du, deine Uhr ist abgelaufen.

»Das war Tells Geschoß!« stöhnt der Getroffene und stirbt. Der Aufstand beginnt, und im 5. Aufzug kann verkündet werden, dass die Feinde verjagt, die Burgen erobert sind. Wilhelm Tell kehrt heim und wird mit Sprechchören gefeiert wie ein Tennisstar:

Es lebe Tell! Der Schütz und der Erretter!

Und am Ende darf noch eine Frau das Wort erheben: die adelige Berta, die um Schutz und das Bürgerrecht der Eidgenossenschaft bittet und es erhält. ― Das Wahlrecht nicht, das würde noch fast 700 Jahre dauern, doch Ende gut, alles gut.

 

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