Zum Valentinstag
Heute, am Valentinstag, gibt es Auszüge aus der Geschichte »All Heil – 1899« von dem unsterblichen Münchner Kabarettisten und Existenzialisten Karl Valentin (1882-1948). Es geht um’s Fahrradfahren, und das passt, da seit gestern mein E-Book »Radsport furios« weltweit zum Verkauf steht, zum Preis von 4,99 Euro. Darin geht es um Anekdoten von den größten Radrennen der Welt.
In meinem Band des Valentin-Gesamtwerks, herausgegeben vom Piper-Verlag, heißt es zur Vorstellung des Autors: »Karl Valentin war ein Mann der Kleinbühne und des Brettls, als Schriftsteller und insbesondere Erfinder von Dialogen eher literarischer Clown als ambitionierter Literat.« Am Rosenmontag, vor drei Tagen, war sein Todestag vor 65 Jahren, was ich gar nicht gewusst hatte. Helmut Krämer ist mir da auf seiner futura9 mit einem schönen Beitrag (»Valentins Todestag«) zuvorgekommen.
Ich schlug den Band auf, und da war die Geschichte: das Radfahren. Damals, um die vorvorige Jahrhundertwende, war All Heil der übliche Gruß der Radfahrer. Valentin gibt zu Beginn an, der Vortragende solle »auffallend schlank gewachsen sein«. Das trifft auffallend auf Valentin selbst zu, der eine »Bohnenstange« war und manchmal gewollt grotesk aussah mit schwarzem Anzug, dessen Hosen dünn waren und oberhalb der Knöchel endeten.
Ο÷Ο
»Wenn man es richtig nimmt, ist das Radfahren eine große Dummheit. – Ich z.B. würde überhaupt nicht radfahren, aber mir hat es der Doktor verordnet.« Er müsse Bewegung haben, sonst werde er zu fett. Er jedoch sei nicht, fett, sondern nur leichtsinnig: »Wie oft bin ich schon auf d’Nacht ohne Glocke ausgfahrn, nicht amal a Licht hab ich dabei ghabt. Auf d’ Nacht fahr ich nämlich nie ohne Licht aus …« [Das erklärt sich; er fährt nachts nie »ohne Licht« aus, was heißt: immer ohne Licht.]
»Und im Winter fahr ich überhaupt nicht. Malheur hab ich schon gehabt mit derRadlerei und immer fahr i wieder. (…) Ein jeder kann’s net vertragn – da muss man gut beinand sein, vor allem gsund auf der Brust. Hustet verdächtig. Jetz, ich halt was auf mei Gsundheit, ich leb auch danach. Bei mir heißts in der Früh um 11 Uhr raus ausm Bett, a paar guate Zigarrn graucht, z’Mittag a paar Regensburger in Essig und Öl – recht sauer, dös macht Blut.« Dann macht der Valentin eine kleine Radtour, 40 Kilometer, trinkt eine frische Maß Bier und isst a Stückl Brot. Nur auf diese Weise bekommt man ein kräftiges, blühendes Aussehen. Schauen’s mich an.«
Nun sagt er: »In meinem Leben mach ich kein Radrennen mehr mit. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich bei jedem Rennen der letzte war; da war aber nicht ich schuld, da warn die andern schuld, weil mir die immer vorgfahren sind. Schaun’s, der wo den ersten Preis gemacht hat, der Mann is krank – der leidet an Verfolgungswahn, der bildet sich bei jedem Rennen ein, der zweite fahrt ihm immer nach; natürlich fährt er dann wie wahnsinnig dahin, dann muss er doch der erste werdn. Jeder kann ja auch nicht der erste sein, das soll bei einem richtigen Rennen gar nicht vorkommen – das hätte auch gar keinen Sinn.« (…)
»Was Interessantes muss ich Ihnen noch erzähln! Ich bin doch der Vorstand vom Radlerclub ‚D’Windhund’, und neulich ham wir von der Fabrik für unsern Club eine neue Standarte kriegt. Eine wunderschöne Standarte! Und in diese Standarte war mit goldenen Buchstaben der schöne Spruch hineingestickt: ›Der Mensch denkt, und Gott lenkt!‹ Einige Sekunden besann ich mich grübelnd und nachdenklich über dieses Symbol der Veolzipedistik. Stillschweigend nahm ich mein Rad, verließ den Club, setzte mich auf meine Maschine, verschränkte die Arme ineinander, die Nase stolz zum Himmel gerichtet, und fuhr eben dahin, ohne zu lenken. Nach fünf Meter Fahrt schleuderte es mich gegen ein Hauseck und ich lag unschwer verwundet am Boden. Ich stand zerknirscht auf, setzte mich wieder auf mein Rad, und seit dieser Zeit – lenke ich wieder selbst.« – All Heil allen Radlern!