Toter Autor sucht Sekretärin
Der heutige Beitrag passt zum »Laster der Schriftstellerei«. — Frank R. Stockton, ein US-amerikanischer Autor, hatte noch viele Geschichten in der Schublade, als er 1902 von dannen ging. Einige Jahre hielt er verzweifelt Ausschau nach einer Sekretärin auf unserer Welt, die seine Stories übertragen würde. Ich verwende hier den Blog-Beitrag How A Dead Author Finished His Books von Michael Tymn (auch auf der manipogo-Blogroll), der am 13. September erschien.
Stockton wurde 1834 in Philadelphia geboren und schrieb 23 Bücher, von denen The Lady Or the Tiger (1884) am bekanntesten wurde. Seine Kinderbücher waren Ende des 19. Jahrhunderts in den USA populär.
1909 probierte die Anwaltssekretärin Etta De Camp aus Schenectady, New York, zum ersten Mal das Automatische Schreiben. Man hält einen Stift, legt sich ein Blatt hin und tut was anderes, denkt nicht an den Stift … und tatsächlich tat sich etwas. Der Stift bewegte sich wie von selbst. Ein Geist führte Ettas Hand. Ende März bekam sie erste klare Sätze:
Ich bin Frank R. Stockton. Ich habe viele Geschichten, die ich gern niedergelegt hätte. Ich bin froh, dass ich nun durch Sie schreiben kann. Eine Geschichte heißt »Was ich mit meiner Frau angestellt habe«, und die schreiben wir jetzt …
Das war also sieben Jahre nach Stocktons Tod. Frau De Camp spürte Schmerzen an der Stirn und an der linken Kopfseite, »als ob der Geist von jemandem in mich hineinkröche«. Am 5. August 1909 schrieb Stockton, jahrelang habe er eine Sekretärin gesucht.
Ich habe viel Glück, dass ich Sie gefunden habe, meine liebe Madam, da Sie auf meine Schwingungen reagieren und ich Sie darum leicht erreichen kann. Wir harmonieren perfekt, und gemeinam werden wir ein großes Werk vollbringen und der Alten Welt zeigen, was man nach dem sogenannten Lebensende des Menschen noch tun kann.
Er behauptete auch, viele prominente Autoren auf der anderen Seite suchten eine schreibende Hand. Der verstorbene Autor klammerte sich noch an sein Ego. Sein Name sollte auf dem Titel stehen, seine Geschichten sollten es sein, und 10 Prozent der Erlöse sollten an seine Hinterbliebenen gehen. 1913 erschien das Buch The Return of Frank R. Stockton, also Die Rückkehr von Frank Stockton, und es enthielt sieben Geschichten, deren Stil eindeutig seiner war. Frau De Camp zweifelte nie, dass sie es mit Frank Stockton zu tun gehabt hatte.
Auch Mark Twain und Charles Dickens schickten von drüben Material und vollendeten fragmentarische Werke, doch Zweifel bleiben immer.