Frauen in der Prostitution

Von heute bis zum 20. Februar 2022 zeigen die Reiss-Engelhorn-Museen die Ausstellung gesichtslos — Frauen in der Prostitution. Das ist ein verdienstvolles Projekt. Gibt es sie überhaupt noch, die Prostitution? Es ist ja der Eindruck entstanden, wegen Corona seien engere Begegnungen von Mensch zu Mensch, von Mann und Frau lebensgefährlich. Nur noch mutige Frauen bieten ihre Dienste an.

Die Ankündigung, zitiert aus Südzeit:

Trotz des Prostituiertenschutzgesetzes führen die meisten Frauen, die in der Prostitution arbeiten, ein Leben abseits der sozialen Wahrnehmung. Nur wenigen gelingt der Ausstieg. Das Projekt »gesichtslos — Frauen in der Prostitution« möchte die oftmals prekären Lebens- und Arbeitswelten von Prostituierten in Deutschland sichtbar machen. Die Ausstellung in den Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim, zeigt Fotos und Erfahrungsberichte von 14.11. bis 20.2.2022.

2021-09-27-0001

Wer in der ältesten Branche der Menschheit tätig ist, der schlägt meist Verachtung entgegen. Doch wir sollten etwas darüber nachdenken. Man kann seinen Körper verkaufen und dabei noch irgendwie seine Seele retten.  Doch schlimmer ist es, seine Seele zu verkaufen, um Macht und Einfluss zu erringen oder um ungeschoren davonzukommen.

Nach meiner Prostitutions-Serie im Juli war ich aufmerksam dem Thema gegenüber und schnappte einige Zitate auf. In einem Le-Carré-Roman lobt ein Funktionär den Agenten, der das Vertrauen eines Spions gewann und diesen den Behörden auslieferte; und er ruft ihm zu: »Sind wir nicht alle Nutten?« Elisabeth Kübler-Ross schrieb:

Man müsste mir volles Misstrauen schenken und mich geradezu der Prostitution zeihen, wenn ich nur das veröffentlichen würde, was der öffentlichen Meinung gefällt.

Um Prostitution im geistigen Sinn handelt es sich, wenn ein Politiker seinen Wählern um jeden Preis gefallen möchte; wenn der Journalist schreibt, was die Leute hören wollen; wenn jemand (wie früher) standesgemäß heiratet (ohne Liebe), um hochzukommen (in der Gesellschaft); wenn jemand »mit Gefühlen schachert«, wie eine Frau dem Finanzier Josef Süß in Feuchtwangers Roman vorwirft; wenn jemand Liebesschwüre ablässt, um eine schöne Frau ins Bett zu kriegen; wenn jemand das zu tun unterlässt, was ihm richtig vorkommt, um dazuzugehören.

Prostitution ist Schöntun und Gefallenwollen, was ja auch Placebo heißt: Die Pille des Als-ob. Das ist Pseudo-Leben und Theater, gelebte Lüge und getarnte Wahrheit. In der Prostitution der Körper liegen die Regeln offen da; man weiß, was los ist. Das ist fast Ehrlichkeit im Vergleich zu der verdeckten Prostitution des Geistes in unserer Zeit und in allen Zeiten.

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.