Die schlauen Frauen

Gegen diesen Titel konnte ich mich nicht wehren. Erst hatte ich Die wissenden Frauen schreiben wollen, was den Titel Les femmes savantes von Molières Lustspiel besser wiedergibt, doch der Effekt hat gesiegt. Das Theaterstück wurde vor 350 Jahren zum ersten Mal in Paris aufgeführt (genau am 11. März 1672), und das passt perfekt für heute, den Internationalen Frauentag.

Château_de_Chantilly,_Pierre_Mignard,_portrait_of_MolièreIch erinnere mich, dass ich vor 5 Jahren am Frauentag in Frankreich war und heimfahren wollte. In einer Tankstelle — nach dem Auftanken vor der Autobahn — sah ich das Buch und nahm es gegen eine kleine Gebühr mit. Das passte!

Am 1. und am 9. März 1672 hatte Molière aus dem Stück bei einem Verleger und einem Bischof öffentlich vorgelesen, und am Tag nach der Uraufführung wurde es im Mercure galant annonciert als une pièce achevée, ein Meisterwerk. Daran ist nicht zu zweifeln. Les femmes savantes ist eines der am häufigsten gespielten Stücke Molières und hatte auch noch im 20. Jahrhundert Erfolg. Für den Meister selbst war es das vorletzte Stück aus seiner Feder; er verfasste noch Der eingebildete Kranke, den er selber spielte, und nach wenigen Aufführungen brach er zusammen und starb, erst 52 Jahre alt. Am 15. Januar vor 400 Jahren war Molière als Jean-Baptiste Poquelin in Paris zur Welt gekommen.

2022-02-15-0004Molière macht sich natürlich über klug sein wollende Frauen lustig, doch so war die Einstellung damals. Man musste den Geschmack des Königshofs und der Salons treffen, in denen die sich trafen, die etwas zu sagen hatten. Molière musste sogar die Erlaubnis des Königs einholen, um das Stück produzieren zu können, und die erhielt er am 13. März 1670. In zwei Jahren schaffte er es. Der Theaterautor schloss einen ironischen Pakt mit seinem Publikum, der in jedem Akt bekräftigt wird. Gesprochen wird in Reimen, und das gefällt mir besonders gut. Wieder hat es mir Spaß gemacht, einige Stellen ins Deutsche zu übertragen. Zum Inhalt:

Der brave Bürger Chrysalis ist mit der gestrengen Philaminte verheiratet, die er fürchtet. Ihre Töchter heißen Armande (die ältere) und Henriette. Chrysalis hat einen Bruder, Ariste, und eine Schwester, Bélise. Dann gibt es noch Clitandre, einen aufrechten jungen Mann, und Trissotin, einen miserablen Dichter und abgrundtiefen Schwätzer, die beide Henriette für sich gewinnen wollen.

2022-02-15-0005Armande ist zu Beginn des 1. Akts entsetzt, dass sich Henriette verheiraten will, doch nichts hilft. Clitandre macht klar, dass er Henriette liebt, doch Bélise, Chrysalis‘ Schwester, will davon nichts wissen. Sie hört nur, was sie hören will und glaubt, dass alle Männer in sie verliebt sind; dahingehend deutet sie alle Zeichen, Henriette ist also für sie nur ein Vorwand. (Links: Armande Béjart, die in der Uraufführung Henriette spielte, nicht Armande) Bélise:

Ah, ein Umweg, wie geistreich, das muss man loben,
ein ganz kluger Schachzug, inspiriert von oben.
In allen Romanen, die mir kamen vor Augen, 
konnte das wunderbar als Verführungstrick taugen.

Im 2. Akt wendet sich Ariste an seinen Bruder Chysalis, um ihn für die Verbindung Clitandre/Henriette günstig zu stimmen. Der Bewerber hat zwar erklärt, dass er nicht unbedingt eine schlaue Frau braucht, doch er liebt Henriette und wird wiedergeliebt. Chrysalis ist einverstanden. Ist er nicht der Herr des Hauses? Die Hochzeit wird stattfinden. Indessen hat Philaminte der treuen Köchin Martine gekündigt, weil diese so schlampig spricht. Chrysalis:

Wen stört’s, wenn sie die Grammatik verletzt?
Es ist ihre Kochkunst, die man sehr schätzt.

Dann hält er einen langen Monolog gegen schlaue Frauen und Schwätzer und schließt mit den Worten:

Ich mag diese Leute nicht mit ihrem Latein.
Und ihr fallt auf diesen Trissotin herein.

Köstlich ist der 3. Akt. Atmande, Bélise und Philaminte beten Trissotin geradezu an und beknien ihn, ihnen sein neuestes Sonett vorzutragen, und er willigt ein, trägt vor, und alle sind hingerissen. Was für ein Stil! Genial! Ein Gast trifft ein, der gefeierte Dichter Vadius. Trissotin fragt ihn schüchtern, ob er vielleicht ein neues Sonett kenne (das seine), kürzlich veröffentlicht.

Trissotin: Kennen Sie den Autor? Vadius: Nein, aber geehrt
muss er sich nicht fühlen, denn das Sonett ist nichts wert.

Tr: Viele Menschen es unendlich bewundern!
V: Es ist miserabel, drum tut mich das wundern.

Dann sagt Trissotin Vadius, dass er der Autor sei, und der große Poet ist betroffen und meint, vielleicht habe er das etwas zerstreut wahrgenommen; dennoch bricht ein heftiger Streit zwischen den beiden aus. Im 4. Akt weist Philaminte Clitandre ab: Trissotin wird der Gemahl ihrer jüngsten Tochter werden, der Notar ist bestellt, gleich am Abend wird die Vermählung stattfinden. Clitandre und Trissotin beharken sich, und die Liebenden (Henriette und Clitandre) nehmen Abschied. Denn im 5. Akt trifft der Notar ein und beginnt die Unterhandlungen, als Ariste sie unterbricht:

Ich bedaure, das frohe Geheimnis zu stören. 
Ich bringe Kummer, den keiner will hören.

Denn: der coup de théâtre. Zwei Briefe sind zu verlesen. Ein Gerichtsverfahren wurde verloren, das Vermögen der Familie ist sozusagen dahin, worauf Trissotin hastig seinen Rückzug ankündigt:

Madame, lassen Sie ab von diesem Projekt.
Es gibt zuviel Widerstand, wie man jetzt entdeckt.
Ich mag’s nicht, wenn ich gegen alle mich stell‘.
Philaminte:
Sie ändern Ihre Meinung aber schnell.

Citandre springt ein und umarmt Henriette, wonach Ariste ganz cool verkündet:

Die Richtigen werden zur Ehe verbunden.
Und ich sag euch nun, die Nachrichten waren erfunden.

 

 

 

 

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