Dienstschluss eines Papstes: 20 Uhr
Heute Abend um 20 Uhr verwandelt sich Benedikt XVI. wieder in Joseph Ratzinger zurück, in einen lebenden Ex-Papst. Am Mittwoch schaute ich mir auch seine letzte Generalaudienz im Fernsehen an, Michael Mandlik und der Abtprimas Notker Wolf waren zu sehen, und die historischen Einspielungen zeigten uns, wie dynamisch und frohgemut der Papst im Frühjahr 2005 sein Amt angetreten hatte. Aber auch Obama ist grau geworden.
Ein Favorit für den Job ist angeblich ein Erzbischof von den Philippinen, 56 Jahre alt, und italienische Journalisten schrieben: »giovanissimo«. Blutjung also. (So alt wie ich.) Meine Ex-Lebenspartnerin Giovanna hält den Posten im Vatikan ja für ihren Traumjob, da würde sie aber aufräumen, und wie! Ich sage darauf immer: »Du bist doch ausgetreten. Außerdem zu jung. Tritt wieder in die Kirche ein und warte mal die nächste Amtszeit ab; warte nochmal 20 Jahre, dann bist du im besten Alter.«
Zu meiner Zeit in Rom (1999−2004) amtierte der polnische Papst, und ich schrieb für die Ärzte-Zeitung in Neu-Isenburg immer die Bulletins über sein Befinden. Sieben Monate nach meiner endgültigen Abreise ist Johannes Paul II. dann gestorben, den ich noch sehen hatte dürfen, wie er im Heiligen Jahr 2000 locker an der Pforte der Basilika San Paolo fuori le Mura vorbeiging.
Am Abend des letzten Abends des Papstes in Rom besuchte ich in Freiburg im Goethe-Institut die Lesung von Helmut Gall. Der pensionierte Lehrer war von 1967 bis 1973 katholischer Priester und lernte eine frühere Nonne kennen, die er nach erfolgter »Laisierung«, der Zurückversetzung in den Laienstand, heiratete. Gall stellte sein Buch Mann Gottes, was nun? vor, das im Freiburger Rombach-Verlag erschienen ist. Schön war die Flucht der Nonne, seiner späteren Frau, aus dem Konvent in finsterer Nacht mit schwarzer Tracht. Die Szene hätte fast in Stendhals Roman Le Rouge et le Noir stehen können.
Angelika Ridder, Leiterin des Goethe-Instituts Freiburg, führte in den Abend ein und wies auf die »interessante Koinzidenz« hin: 24 Stunden vor dem Abschied des deutschen Papstes. Ihr Institut hat noch bis 26. März eine Ausstellung mit Werken von Katharina Gehrmann und Katja Wüstehube, und einige Arbeiten Letzterer aus der Reihe Painted Popsongs hingen hinten an der Wand und schufen einen hübschen Verfremdungseffekt.
Ja, der Zölibat. Helmut Gall wird hier und dort eingeladen, um über seine Erfahrungen zu sprechen, und man begreift, dass man sich fast lustvoll über dieses Thema verbreiten kann, sich ereifernd, weil man über Anderes so schlecht sprechen kann: über die Übergriffe auf Minderjährige durch vorgesetzte Kleriker, diesen Machtmissbrauch, der auch für wagemutige Medien schwer zu thematisieren ist. Wie will man das in einer Talkshow behandeln ohne Details? Und die Leute wollen ja die Details wissen.
Die Homo-Ehe geht noch, das Wort geht nun sogar CDU-Politikern glatt über die Lippen. Aber der Missbrauch Abhängiger hat Menschen fürs Leben traumatisiert, und die Täter waren andere Menschen, die zu Höherem geweiht waren. Nein, Papst ist kein Traumjob. Die ganzen Skandale an der Backe, und dann noch zölibatär leben! Denn der Papst ist der einzige Mensch auf Erden, von dem das wirklich verlangt wird.