Ein Führer in der dunklen Welt

Frederic Sculthorp war ein Engländer, der sich nach dem Tod seiner Frau 1934 fürs Astralreisen interessierte und 20 Jahre lang die Geistige Welt aufsuchte. In Excursions to The Spirit World hat er (1961) auf 70 Seiten seine Erfahrungen zusammengefasst, und einmal nahm ihn sein Führer in die unterste Astralregion mit, und da ich gerade »Führer« schrieb … lasst euch überraschen, es gibt noch eine Pointe!

Der Abschnitt des Buches heißt Mitgefühl. Ich übersetze große Teile daraus.

Ich war aus meinem Körper hinausgekommen, und als ich wieder bewusst da war, trug ich meine alte Uniform aus den Tropen und dachte mir, o je, man will mich in meine schlimmsten Lebenserinnerungen führen, in die Kriegszeit!

018Dieser Zustand schien mir der niedrigste je von mir eingenommene, und die Schwingungen waren gemischt und besorgniserregend. Auf meiner Reise drang ich immer tiefer in diesen niedrigen Zustand ein, und die Umgebung wurde bedrückender, mit armselig aussehenden Häusern. … Man stoppte mich vor einem Gebäude, das wie ein graues Warenhaus aussah und eine Tür besaß. Sie ging auf, und ich wurde praktisch hineingeschoben, als mich die schrecklichen Schwingungen, die auf meinen Geistkörper trafen, lähmten.

DSCN4138Innen sah ich eine Reihe Wesen, vielleicht hundert, die langsam umhergingen. Ihre Kleidung war unbeschreiblich und hing um sie wie Girlanden von schmutzigen Spinnweben. Ihre Gesichter waren von stumpfem Grau. Der ganze Platz war grau, es gab keine Farbe, und nur ein dämmriges Licht war oben angebracht. So abgetakelt wie die Szene erschien, so war sie doch harmlos verglichen mit den Schwingungen, die ich verspürte. Jedes Wesen ging langsam mit gesenktem Kopf und schien nichts wahrzunehmen. Alle ihre Gedanken hatten denselben schauerlichen Grundton: »Wir sind für immer hier; für uns gibt es keine Hoffnung!« … Ich schien die Geschichte erleben zu sollen, tausend Jahre würden ihr Gestern sein und ihr Morgen ebenso, in der endlosen Zeit der Ewigkeit. Diese Schwingungen waren die niedrigsten, die ich je ertragen muse, und ich war froh, als mich mein Führer zurückholte.

DSCN4139Diese Wesenheiten wanderten alle, ohne sich gegenseitig zu bemerken oder auf eine Richtung zu achten. Man könnte sagen, dass sie sich wie negativ geladene Teilchen bewegten, von denen jedes das andere zu vermeiden suchte. Nach meinen zahlreichen Besuchen in den untersten Reichen wurde mir offenbar, dass Ignoranz während des irdischen Lebens einen Menschen später im Geist an jene Plätze verbannt. Das Erdenleben hat ihren Geistkörper so geformt, dass er nach dem Tod im Geist jener charakteristischen Schwingung zustrebt. Da gibt es keinen Irrtum. Gottes Gesetze sind absolut gerecht. Wer kann sich beklagen, wenn sein eigenes Selbst zu seinem Richter wird?

So sieht also die Hölle aus. Wer wird diese Wesen erlösen? Erlösung kann sein, doch jemand muss zu ihnen vordringen und sie erwecken. Das werden die aufopferungsvollen Tätigkeiten in der Geistigen Welt sein. Frederic Sculthorp kam zurück und musste am nächsten Tag sein Geschäft öffnen, als ihn etwas zwang, sich hinzusetzen.

Dann, mit dem Kopf in meinen Händen und die Ellbogen auf die Knie aufgestützt, erlebte ich die intensivste und tiefste Besorgnis für einen geliebten Menschen, die man empfinden kann. Ich war so voller Mitleid, dass ich meine Tränen kaum zurückhalten konnte. Dieser geliebte Mensch war — der regierende Diktator eines Landes! Als ich mich wieder etwas gefasst hatte und die sanfte Anwesenheit eines hohen Geistwesens verspürte, fragte ich mental: »Warum fühle ich mich so?« Mir wurde gesagt: »Du bist an dem Ort gewesen, zu dem er unterwegs ist.« Dies geschah 1937, als noch kein Krieg in Reichweite war. Ich brauche nicht zu betonen, dass diese Art Emotion für einen Diktator nicht typisch für mich ist und dass ich froh war, dass ich mein Geschäft noch nicht geöffnet hatte. (…)

Die starke, dennoch sachte Kraft, die mich überrollte, überraschte mich; so etwas hatte ich noch nie mitgemacht. Die Hoffnungslosigkeit derer, die ich während der Nacht miterlebt hatte, fühlte sich so schauerlich und verloren an, dass nur die Existenz im Geiste ihr wahres Ausmaß zu erkennen vermag. In Worten kann es nicht ausgedrückt werden. Ich hoffe, dass es für jene armen Seelen irgendwo einen Wendepunkt gibt. »Für immer«  ist eine lange Zeit. … Wir sind alle Teil eines Ganzen, und jede/r wird gebraucht. Je mehr Fehler gemacht werden, desto mehr wendet man sich denen zu, die die Fehler machen. Die Freundlichkeit und die Sorge für andere bei denen, die die höheren Sphären erreicht haben, ist tief, wie ich versucht habe zu zeigen, und Selbstlosigkeit und Engagement für alles sind die Gründe für ihre Erhebung hinauf in die höheren Schwingungen der erhabenen Reiche der Geistigen Welt.

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Es ist nicht daran zu zweifeln, dass mit dem »Diktator eines Landes« Adolf Hitler gemeint war. Damals, 1937, gab es in Zentraleuropa keinen anderen Diktator als den selbsternannten »Führer«. So müssen wir uns also die Hölle vorstellen, Dante Alighieri würde es mit Interesse vernehmen. In seiner »Göttlichen Komödie«, vollendet 1320, schildert er Besuche des Erzählers in Hölle, Fegefeuer und Paradies. Seine Hölle ist natürlich feurig, und Höllenqualen gibt es auch. Hoffnungslosigkeit ist jedoch am schlimmsten.

Diese Wesen gingen langsam mit gesenktem Kopf … Da fiel mir noch eine Passage aus dem Gedicht The Waste Land von T. S. Eliot ein, und es ist, als hätte der Dichter etwas von der untersten Astralebene gesehen:

Unreal City,
Under the brown fog of a winter dawn,
A crowd flowed over London Bridge, so many,
I had not thought death had undone so many.
Sighs, short and infrequent, were exhaled,
And each man fixed his eyes before his feet.
Unwirkliche Stadt,
Unter dem braunen Nebel eines Wintermorgens,
Glitt eine Menge über London Bridge, es waren viele,
Ich wusste nicht, dass der Tod geholt hatte so viele.
Seufzer, kurz und auch nicht oft, stieß man aus,
Und ein jeder starrte vor sich auf den Boden.

 

 

 

 

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