Die Liebe der Elektronen

Das Elektron, der unbekannte Freund. Wir lassen uns von Jean Émile Charon (1920-1998) etwas über diese Elementarteilchen erzählen, die als Mini-Teilchen zu bezeichnen eine maßlose Übertreibung wäre, und Teilchen ist auch falsch, denn man weiß nicht, was genau sie sind: jedenfalls keine Objekte, meinte Heisenberg. Ein Elektron kann überall sein und nirgends, Genaues wissen wir nicht; erst wenn wir messen, haben wir sie festgehalten. 

Joachim Ernst Behrendt (1922-2000) grub für sein Buch Nada Brahma (1983) die Charon-Stelle aus, und mich traf das auch unvorbereitet, als ich es nach Jahren wieder las. Ich finde es ja unglaublich, dass Physiker und Astronomen noch klaren Kopf behalten können bei all den Wundern, mit denen sie zu tun haben. Muss man da nicht religiös werden? Das Folgende sind Behrendts Worte, leicht gekürzt.

ufoDas Elektron ist eine Art Mikro-Schwarzes Loch; es besitzt eine ähnliche Struktur wie die Schwarzen Löcher des Kosmos und deren Vorstufe, die Pulsare, und wie diese verfügt das Elektron über eine sehr, sehr hohe Temperatur zwischen 60 Millionen und 650 Milliarden Grad sowie über eine ungeheure Dichte und einen im Sinn der Einsteinschen Theorie völlig in sich gekrümmten Raum und eine völlig in sich gekrümmte Zeit. Die Zeit der Elektronen und Schwarzen Löcher ist nicht unsere materielle Zeit, die von der Vergangenheit in die Zukunft führt. Sie ist eine »geistige Zeit«, so dass alles, was einmal gespeichert wurde, bei jedem Zyklus erneut abgerufen werden kann. Deshalb, so Charon, sind die Elektronen die »Ur-Speicher« der Erinnerung. Sie gehören zu den wenigen Elementarteilchen, die nicht zerfallen, das heißt, sie bestehen von Beginn des Kosmos an bis zum Ende der Zeit und des Universums. Charon:

Ein Elektron, das nacheinander Teil eines Baumes, eines Menschen, eines Tigers und wieder eines Menschen war, wird sich also für immer an alle in diesen verschiedenen Leben gesammelten Erfahrungen erinnern.

Angebahnt hat diese Erkenntnisse bereits in den 1920-er Jahren der deutsche Physiker Wolfgang Pauli, aus dessen sogenanntem Pauli-Prinzip hervorgeht, dass Atome »wissen« und »behalten« können, ob sie einem anderen Atom schon einmal begegnet sind oder nicht, und dass sie »wissen«, in welchem Zustand sich andere Atome befinden. Das Erinnerungsvermögen der Elektronen wird durch den Spin (die Drehrichtung) seiner Photonen (Lichtteilchen ohne Gewicht) gesteuert. Photonen steuern aber nicht nur die Erinnerung, sondern auch den Erkenntnisprozess. …

Charon:

erosandpsychecgksZuletzt gibt es noch den spin-Austausch zwischen den Photonen zweier benachbarter Elektronen. Diesem Austauschprozess wollen wir den Namen »Liebe« geben. Es kann beispielsweise geschehen, dass ein Photon innerhalb des ersten Elektrons von sprin +1 auf spin -2 übergeht, während gleichzeitig im benachbarten Elektron ein Photon von spin -1 auf spin -2 übergeht … Zur Kommunikation durch Liebe gehören jedoch immer zwei: Beide müssen sich zu dieser Wechselwirkung entschließen und beide den spin-Austausch annehmen. … Es muss eine gewisse ästhetische Übereinstimmung zwischen jenen beiden »Gedächtnissen« herrschen, die versuchen, sich zu paaren, um ihre Information zu bereichern … Jedes ist Sender und Empfänger zugleich, und damit dieser auf Gegenseitigkeit beruhende Vorgang stattfinden kann, müssen die beiden neuen geistigen Konfigurationen gewissermaßen »zusammenpassen« ….  Im Gegensatz zu den Ansicht, welche die meisten organisierten Wesen sich darüber zurechtgelegt haben, sind es nämlich eigentlich ihre Elektronen, die Liebe verströmen oder Liebe hervorrufen. Das organisierte Wesen selbst ist nur das »Vehikel« dieser Liebe, und auch das nur in einem eng begrenzten Teilgebiet von Raum und Zeit.

Das ist ja eine eigenwillige Vorstellung. Wir werden hier nicht einmal nicht als triebgeleitet, sondern als elektronengeleitet dargestellt, und sollte ich künftig sagen: »Liebling, meine Elektronen begehren dich, komm zu mir!«? Alle meine Elektronen, das bin ich. Wir halten uns ja für autonom, aber in Wirklichkeit wissen wir nicht, was uns leitet; und es ist besser so. Zu viel zu denken schadet der Liebe. Was immer uns antreiben mag: Es ist gut, wozu es führt.

Behrendt, der Jazz-Liebhaber, begeistert sich für einen musikalischen Aspekt:

DSCN2950Die Liebe ist das Wiedererkennen der gleichen spin-Zustände, will sagen: gleicher harmonikaler Verhältnisse, gleicher Schwingungen,  letztlich: gleicher Harmonien – weshalb ja auch die Umgangssprache von »harmonischen« Verhältnissen zwischen Liebenden spricht. Die Liebe also als Akkord. Je »harmonikaler« sie im wörtlichen Sinn ist, desto »harmonischer« ist sie auch im übertragenen Sinn — womit auch offensichtlich ist, dasss die Vorgänge der Liebe, ihre »Taten« … durch harmonikale Verhältnisse gesteuert werden und ihrerseits wiederum in einer Art Feedback … ein harmonikales Geschehen von wachsender Kraft und Intensität auslösen … Die Liebe als Musik.

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