Entschuldigung, dass es mich gibt!

Eine italienische Komödie aus dem Jahr 2014 hat den obigen provokativen Titel: Scusate se esisto! Wir litten ja alle mehr oder minder am Leben, aber irgendwann hat man’s hinter sich (erst das Leid; das Leben später auch), doch der Film mit Paola Cortellesi meint den Spruch nicht weinerlich, sondern kämpferisch, wie wir gleich erfahren werden.

Scusate se esisto! von Regisseur Riccardo Milani, dessen Hauptdarstellerin seit drei Jahren seine Frau war, ist eine gelungene Komödie mit sozialkritischen Attacken —ja, und die machen Spaß!

Serena Bruno ist eine agile junge Architektin und will an einem Wettbewerb teilnehmen, der das römische Hochhausmonster Corviale wohnlicher gestalten soll. Das ist ein extrem hässlicher Bau zwischen Rom und dem Meer, ein ein Kilometer breiter Riegel aus Beton mit Wohnungen; vor 20 Jahren war ich mit dem Rad mal dort: Verwahrlost und verlassen wirkte das Ding, desolat. Man muss sein Projekt vorstellen. Serena möchte dem Riegel einen grünen Querstreifen schenken und Begegnungsstätten schaffen.

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Die Kandidaten im Wettbewerb sind ernsthafte, dunkel gekleidete Männer; die Kommission besteht aus drei dunkel gekleideten, älteren ernsthaften Männern, die eine Frau gar nicht zur Kenntnis nehmen. Sie verwechseln den Namen: Herr Bruno Serena, wo? Serena Bruno hat einen Einfall und verkauft sich als Sekretärin des Herrn Bruno Serena, der angeblich einen Monat in Osaka ist.

OIPscusateDas Projekt gewinnt! Nun muss sie Herrn Serena präsentieren — und verfällt auf den Chef in ihrem Nebenjob, den Restaurantbesitzer, der schön ist und homosexuell (Raoul Bova). Gut, die Schwulen-Subkultur wird durch den Kakao gezogen, das ist überzogen, aber den Komödianten reizt das, und versteckt wurde das ja von Billy Wilder in Manche mögen’s heiß 1959 schon ausgewalzt: Männer (Tony Curtis und Jack Lemmon) verkleiden sich als Frauen.

 

Serena schließt sich einem Architekturbüro an, um ihre Pläne auszuarbeiten, die ja offiziell von Bruno Serena stammen. Herrlich der tägliche Auftritt des eingebildeten und dummen Chefarchitekten, dem die Sekretärin unterwürfig einen Kaffee reicht, bevor er im Triumphzug sich seinem Büro nähert und einer Mitarbeiterin zuflötet: »Danke, dass es dich gibt!«

Die Pläne Serenas, etwas Schönes für die Corvialisti (die Bewohner des Ungetüms) zu tun, interessieren ihn nicht; er will ein Supermarktzentrum und das Bruno begreiflich machen, als es Serena nicht mehr aushält. Sie sagt aber nicht Entschuldigung, dass es mich gibt, sondern sie sagt, die Pläne seien die ihren. Und er solle an die Bewohner denken, und überhaupt sei er ein Vollidiot. Dem Chefarchitekten verschlägt es die Sprache. Klar, dass sie im Büro nicht länger bleiben kann.

Doch plötzlich ist die Atmsphäre eine andere: Wie im Märchen vom Kaiser, der angeblich neue Kleider trägt, aber nackt ist, und alle Zuschauer applaudieren, alle jubeln ihm zu wie in Trance (geschrieben 150 Jahre vor dem Nationalsozialismus), als ein Kind plötzlich ausruft: Hey, der ist ja nackt! Und alle wachen auf. Zivilcourage und Mut im rechten Moment, und andere lassen sich womöglich mitreißen und Unrecht kann vermieden werden.

Im Abspann wird auf ein reales Projekt der Architektin Guendalini Salimei für eine Erneuerung des Corviale hingewiesen, das 2015 verwirklicht werden sollte. Wetten, dass heute, sieben Jahre später, noch nichts geschehen ist? Das ist Italien; aber Deutschland sollte sich nicht überlegen fühlen, unser Land wird immer mehr zum Verhinderungsland, wegen Bürokratie oder Einzelegoismen. Morgen ein Beispiel dazu.  

Und noch einen Witz dazu, aus dem Gedächtnis zitiert: Eine US-Firma und eine deutsche Baufirma wollen zeigen, wer der Beste ist. Jede Firma stürzt sich auf ein Projekt. Nach drei Wochen melden die Amerikaner: »Noch zehn kleinere Baumaßnahmen, und wir sind fertig.«
Die Deutschen melden: »Noch zehn Formulare, dann fangen wir an!«

   

 

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