Warten auf Antwort

Am 1. September 1943 stand ein Mann vor Margret Bechlers Wohnungstür. Von ihm erfuhr sie, dass ihr geliebter Mann Bernhard, stets glühender Nationalsozialist, nunmehr mit den Russen gegen Hitler kämpfe. Das gefährdete seine Familie aufs äußerste. Marget Bechler schrieb: »An diesem Tag ging mein bürgerliches Leben zu Ende.«

029Sie hatte mit Bernhard zwei kleine Kinder. Doch nun war sie praktisch aus der Volksgemeinschaft ausgestoßen; ihr Mann war ein Verräter. Die Gestapo machte Druck und zwang sie, einen Spitzel zu verraten, damit ihre Kinder nicht ins Konzentrationslager kämen. Der Mann wurde hingerichtet. Dann endete der Krieg — und Frau Bechlers Martyrium begann: Juni 1945 Untersuchungsgefängnis Zwickau, Speziallager Nr. 4 Bautzen, Internierungslager Jamnitz, Lager Mühlberg, Speziallager Buchenwald, Zuchthaus Waldheim, Strafvollzugsanstalt Hoheneck. Ost Dunkelhaft, Einzelarrest, Todesurteil, Begnadigung.

12 Jahre war Margret Bechler inhaftiert, bis sie im April 1956 entlassen wurde. Ihre Kinder lebten bei ihrem Mann Bernhard, der mittlerweile ein hoher Funktionär der DDR war, seine Frau jedoch für tot erklären ließ und erneut heiratete — seine Sekretärin, eine linientreue Kommunistin. Erst 1989 sah Frau Bechler ihre Kinder wieder. Nach 1956 arbeitete sie als Lehrerin in Hamburg. Geboren wurde sie 1914, gestorben ist sie im Jahr 2002.

030Ihr Buch heißt Warten auf Antwort. Wollte man etwas Positives herausgreifen, so könnte man mit ihren Worten sagen, sie habe überall ein mitfühlendes Geschöpf angetroffen, in allen Gefängnissen. Es gab Solidarität und die Chance, anderen gepeinigten Frauen zu helfen. Positiv auch: ihre Zivilcourage. Sie wollte nie eine Schuldanerkenntnis unterschreiben, auch wenn sie sich der Möglichkeit einer verkürzten Haft beraubte. Sie folgte ihrem Gewissen. Einmal lief sie dem Pfarrer nach, der eine ergreifende Predigt gehalten hatte und drückte ihm die Hand. So etwas war untersagt: alle Sachen abgeben, sechs Mnate Haft in einer zwei auf drei Meter kleinen Zelle bei Dunkelheit. All das stand Margret Bechler durch, obwohl sie ihre Kinder verloren hatte und vom geliebten Mann verraten wurde. Woher nahm sie die Kraft?

Im letzten Gefängnis machte ein Gerücht die Runde: Da gebe es einen Geist, ein Burgfräulein. Frau Bechler:

In dieser Nacht träumte ich. Von der Burgfrau, an die ich nie geglaubt habe. Ich bin halbwach, ein Grenzgefühl, halb Traum, halb Fantasie, schwer zu beschreiben. Zuerst sehe ich eine Feuersäule, aus ihr löst sich eine Gestalt, ich bin ganz sicher, dass es die Burgfrau ist. Sie lässt mich sehen, was mit mir geschehen wird. Ich sehe mich also, wie ich bepackt mit meinem Deckenbündel hinter einer Wachmeisterin in den Keller gehe. Meine Mutter steht jammernd an der Seite. Ein finsteres Loch tut sich vor mir auf. Ich frage die Burgfrau, was mit mir wird. Sie sagt, das sei das Letzte, nicht lange danach käme die Freiheit. Sie geht zurück in die Flammensäule, und ich werde wach.

Sie ging in Dunkelhaft, weil man eine Bleistiftmine bei ihr gefunden hatte; doch dann kam die Freiheit, was sie ungläubig zur Kenntnis nahm. Da ist man als Leser auch erleichtert, denn all die Grausamkeiten des Wachpersonals erfüllen einen mit Wut und Ohnmacht. Merkwürdig grausam auch der Wikipedia-Eintrag zu Margret Bechler: Ihr wird die Denunziation des Spitzels vorgehalten, einige Angaben des Buches werden in Zweifel gezogen, im Grunde handelt es siuch um Rufmord an einer Toten. Wer weiß schon, wer hinter diesem Beitrag steckt? Wikipedia sollten wir immer misstrauen, da kochen einige Leute ihr eigenes Süpplein und verkaufen die Brühe als Objektivität.

 

 

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