Kontinuität

Was ermunternd und beruhigend klingt — Kontinuität —, muss hier ins Negative gekippt werden. In Margret Bechlers dokumentarischem Bericht erfahren wir die Kontinuität der Grausamkeit und des Fanatismus. Manches endet und findet zu einem neuen Anfang; manch Anderes endet und doch nicht, die Bösen treiben weiter ihr Spiel, und so war das nach 1945. Und wie immer bezahlen die Falschen, die armen Schweine.   

078Das fängt mit Bernhard Bechler an, dem überzeugten Nationalsozialisten, der zu einem überzeugten Kommunisten wurde und als DDR-Minister ebenso fanatisch wie früher seinen Herren diente, der bald die gängige Sprachregelung verinnerlicht hatte. Das ist deutsch: Pflichterfüllung über das Nötige hinaus, letzter Einsatz für die Sache (für welche auch immer). — Ungerührt übten die Wachmannschaften der Gefängnisse ihren Dienst aus: Die Russen ließen sie weitermachen, und so wurde eben eiskalt bestraft oder in Einzelhaft geschickt, und welche Ideologie herrschte, war egal. Die »unerbittliche Härte« triumphierte, die sich die Nazis auf die Fahnen geschrieben hatte. Mühlberg war sogar 1946 noch unter nationalsozialistischer Führung. Ein Stück Spiegel in der Kleidung: zwei Monate Einzelarrest. In manchen Lagern verhungerten 40 Menschen am Tag, das Lagerleben ging auch unter den Russen weiter, sogar Buchenwald wurde wieder betrieben.

Das Leben in den DDR-Gefängnissen war zuweilen noch härter als in den Lagern. Die inhaftierten Frauen saßen meist wegen Spionage oder anderen unklaren Vorwürfen, die auf irgendwelche Denunziationen zurückgehen mochten. Das war russischer Stil, eigentlich müsste man ihn nach dem verrückten Despoten Stalin »stalinistisch« nennen, denn er litt unter Verfolgungswahn, und viele Millionen kamen in Lagern im fernen Osten um, es könnten sogar 20 Millionen gewesen sein. In der DDR waren die Bewacher Deutsche, denen ihr Pflichtgefühl nahelegte, grausam sein zu müssen und möglichst bis ins Extrem zu gehen, denn sie kostete es ja nichts.

Sie kosteten ihre Macht über ihre Mitmenschen aus; kleine verworfene Wesen spielten sich als Götter auf und hatten vielleicht nicht einmal Gewissensbisse, weil sie die Person, die hart sein »musste«, von ihrer freundlichen Privatperson zu trennen verstanden. Nicht nur litten die Täter wenig, sie wurden noch dazu verschont. Kein einziger Richter, der zur Zeit der Nationalsozialisten Todesurteile verhängt hatte, wurde belangt, von den Killern in den Lagern kam nur einer von zehn vor Gericht und dann mit einer recht milden Strafe davon.

Die Leidenden leiden immer noch mehr. Eine Frau konnte nicht verwinden, dass sie unter der Folter den Aufenthaltsort ihres Mannes verraten hatte; überlebende Häftlinge in Konzentrationslagern litten darunter, überlebt zu haben (warum ich?); die Emigranten, die in Armut im Ausland gedarbt hatten, um Hitler nicht dienstbar zu sein, wurden später wie Deserteure betrachtet und ignoriert.

Die Hofnung, es könnte woanders anders gewesen sein, trügt, wie uns Die Passion der Teresa aus den 1960-er und 1970-er Jahren in Italien zeigt. Auch da ging es grausam zu. Bleibt nur die Hoffnung und die Ahnung, dass es heute anders ist — wenn wir unsere westlichen Länder anschauen. Man möchte gar nicht wissen, wie es in Gefängnissen der Türkei, des Irak und Russlands zugeht. Herr, hilf den armen Häftlingen!

 

 

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.