Der Meloni-Effekt macht Sorge

Übermorgen wählt Italien ein neues Parlament. In den 77 Jahren seit dem Zweiten Weltkrieg hatte das Land bereits 67 Regierungen; öfter als geplant mussten die Bürger an die Wahlurnen. Der letzte Regierungschef war Mario Draghi, einst Chef der Europäischen Zentralbank. Nun wird ein Rechtsruck befürchtet, den Giorgia Meloni herbeiführen will, die lauteste Stimme der Rechtsparteien im Land.

Wie immer ist die Lage unübersichtlich. Nach Berlusconis viertem Kabinett 2011 hießen die Ministerpräsidenten Monti, Letta, Renzi, Gentiloni, Conte und Draghi: sieben Regierungen in elf Jahren. Giorgia Meloni ist als wortgewaltige und angriffslustige Führerin der Rechten unumstritten und hat sogar den Scharfmacher Salvini in den Schatten gestellt — doch eine Ministerpräsidentin kann man sich in Italien nicht vorstellen, das war noch nie da. Ministerinnen gab es jedoch schon viele, auch eine Parlamentschefin.

Wahlkampf in Reggio Calabria

Wahlkampf in Reggio C.

Die Bewegung Cinque Stelle, in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich, wird dieses Mal zur Bedeutungslosigkeit verurteilt werden. Es gab zuviele Richtungs- und Grabenkämpfe, Minister Di Maio verließ die Gruppe, andere folgten ihm. Renzi wartet immer noch im Hintergrund, um Zünglein an der Waage zu werden, vom Partito Democratico hat man nicht mehr viel gehört. Wie in anderen Ländern sind die Rechten salonfähig geworden, auch wenn ihnen nicht viel mehr einfällt als den anderen Parteien auch.

Die Gas- und Strompreise will man senken, man verspricht Hilfe für minderbemittelte Familien, und die Meloni will gegenüber der EU selbstbewusst auftreten; deren Geld wil man aber schon, da liegen viele Milliarden auf Brüsseler Konten, doch Italien schafft es nicht, gut begründete Projekte vorzustellen … und dann lässt man wieder die Regierung scheitern und verliert wertvolle Zeit. Das alles ist äußerst dumm.

Der Korrespondent sprach früher immer mit dem Taxifahrer, um die Stimmung im Land zu erkunden, — wir waren am Strand. Neben uns hatte sich ein älteres Ehepaar (zwischen 70 und 75 Jahren) angesiedelt. Die Frau sprach unausgesetzt in ihr Handy, und Unterhaltungen entnahm man, dass der Mann, der näselte wie Berlusconi, wohl Giorgia Meloni beziehungweise deren Gruppe Fratelli d’Italia wählen würde (Fratelli d’Italia heißt die Nationalhymne des Landes; da weiß man schon alles: Trump folgend, heißt das Italien zuerst!). Giovanna war bestürzt. Wenn wohlhabende und gebildete Leute rechts wählen, sieht es düster aus.

Ein Freund, der sich mit Frankreich auskennt, sagte, es gäbe viele Rechte im Land und man wähle schon mal rechts, aber das sei nicht festgelegt und könne sich rasch ändern — anders als in Deutschland, wo die politische Richtung bei allen festzementiert ist. Auch in Italien, bei den Cousins der Franzosen, sind die Wähler flexibel. Wählt nur eure rechte Regierung; zwei Jahre später wird sie am Ende sein, dann werden die Karten neu gemischt. Wenn nur die Linken auch eine unternehmende Frau an ihre Spitze ließen! Man ist der grauen Köpfe, die sich in Italien Jahrzehnte an ihre Sessel klammern, überdrüssig.

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