Unsere Blogs

Gelegentlich schaue ich auf die Liste mit den meistgelesenen Blogs von Bloggerei. Man kann vier große Themen erkennen: Hunde, Internet, essen und reisen, Mode und Freizeit. Diese Blogs sind alle professionell gemacht: Es sind viele Bilder drauf, da ist viel Platz zwischen den Zeilen, Cookies verwenden sie fast alle, und viele lassen sich sponsern. Unser manipogo wirkt dagegen uralt: eine mit Bildern verzierte Buchstabenwüste. So ist das.

2021-04-17-0001Es soll um die 20.000 Blogs in Deutschland geben, und bei den Top-Blogs sieht man auch die täglichen Abrufzahlen. Mit rund 1400 läge manipogo zwischen Platz 20 und 30, das ist nicht schlecht für diesen schwerfälligen Doppeldecker am Internet-Himmel. Ich habe meine Blog nicht registrieren lassen, manipogo fliegt inkognito. Die ersten 9 Tage im Oktober waren schlecht, doch dann wieder ein Lichtblick. Ich werde künftig kürzere Texte verfassen mit mehr Bildern.

Ein Blog ist mir aufgefallen: Lebenswelt und Depressionen. Mein »inkognito« vom letzten Satz habe ich vielleicht von dort unbewusst übernommen, denn über die Depressionen schreibt die Inkognito-Philosophin, die ihren Namen nicht verheimlicht: Tamara Niebler, geboren 1982. Sie litt (oder leidet noch) an Depressionen, Magersucht, Sozialphobie und Panikattacken. Es gebe bereits »unzählige Blogs über Depressionen«, schreibt sie. Das Internet ist eben ein gutes Ventil. In Blogs und den sozialen Medien kann man sich äußern und Probleme loswerden, die aber, wenn man nicht aufpasst, vermehrt zu einem zurückkehren.

DSCN3771Sehen Blogs heute so aus, mit so großer Schrift und so viel Platz drumherum? Das wirkt ja wie eine Plakatwand. So bekommt jedes Wort mehr Gewicht, prägt sich vielleicht besser ein, aber mich erinnert’s an die Bild-Zeitung. Es gibt ja noch Bücher, die bestehen nur aus Seiten mit enggedrucktem Text —und wie viele erinnere ich mich an meine Enttäuschung, als ich 12 Jahre alt war und in dem Karl-May-Band kein einziges Bild fand! Da war der Lederstrumpf von James Fenimore Cooper anders!

Tamara hat auch viele Sparten und Kategorien auf ihrer Seite. Ihr Blog gehört zu den meistgelesenen, jedoch handelt es sich eigentlich um ihre Website, die nur vier aktuelle Beiträge im Monat aufweist. Man kann auf der Seite kreuz und quer navigieren,und du befindest dich stets in der Gegenwart, mal grob gesprochen, während es bei manipogo in der Zeit nach rückwärts geht, in die Vergangenheit, und alle mittlerweile 2740 Beiträge sind die Website, eine work in progress.

Noch einmal sei es gesagt: Die Blog-Szene heute (wie man’s an den Top-Blogs sieht) verstößt gegen den Geist des Blogs, wie etwa vor 20 Jahren gepflegt wurde. Damals war das Internet ein Abenteuerspielplatz, heute ist es eine Kommerzmaschine. Blog vor 20 Jahren hieß Anarchie und wilde Kreativität, hieß spontan Sein und überhaupt: Ich mach mein Ding. Mit Freude erinnere ich mich ans Surfen damals. Das war echtes Surfen ohne Kindersicherung!

Vergangene Woche war Mitarbeiterfest, und ein älterer Kollege erinnerte sich an 1995, was sie da für verrückte und tolle Sachen gemacht hätten, als es ans Feiern ging. Er fragte: Was ist dann passiert? Heute seien alle brav und angepasst und einfallslos. Ich dachte drüber nach. Auch die Jungen heute wissen zuviel, sie sind immer an Deck, haben immer alles unter Kontrolle, wollen und können nicht loslassen, planen ihr Leben durch wie einen Arbeitstag und wundern sich dann, wenn sie in Depressionen verfallen. Dann Tamara lesen!

Blogs sind jedenfalls immer Unternehmen von Einzelnen, in denen am Ich nicht gespart wird. Doch wie im Buch ist das Ich im Blog nicht nur das blanke Ich der Autorin. Morgen lassen wir uns das von einem spanischen Literaturexperten erklären.

Vor 20 Jahren kam es tatsächlich zu einer Demokratisierung durch das Internet und die Blogs, die sich leider dem Zugriff des Kommerzes nicht entziehen konnten. Heute bieten die Social Media die Austauschplattform für Individuen, da ist es privat. Ich sehe, was du tust, du bist bei mir, wir gehören zusammen. Derzeit werden die mobilen Geräte dauergenutzt und überstrapaziert, das ist nur eine Kinderkrankheit, weil das Ganze so neu ist. Die Menschheit ist etwas näher zusammengerückt, das müssen wir positiv vermerken.

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