Ein Blogger der ersten Stunde

Mein Freund Helmut sagt manchmal, ich sei »einer der ersten Blogger der Republik« gewesen, ein »Blogger der ersten Stunde«. Das macht mich froh. Und es stimmt ja auch. Damals, Anfang 1997 in Freiburg, ahnte ich davon nichts. Da tat sich ein Feld auf, ich hatte Lust zu schreiben und fing an. Posers Para-Page nannte ich das, und es war eine jeden Mittwoch erscheinende Kolumne. Blogs waren noch unbekannt.   

Zehn Jahre früher war ich schon Vorreiter gewesen: Schrieb von 1986 bis 1991 für die große Agentur dpa in Hamburg über Rockmusik und Boulevard-Themen (war sozusagen Pop-Papst Poser), die heute unter der Rubrik Modernes Leben laufen. Die Agentur legte sich erst 1998 eine Redaktion dieses Namens zu. Nun erzählt der Blog-Onkel weiter von früher: Am Freiburger Institut, zu dem ich gehörte, war 1995 plötzlich viel los, und Computer wurden verteilt, obschon der Hilfsbibliothekar (ich) zunächst meinte, eigentlich bräuchte er  keinen. Das war die Zeit, als manche Wissenschaftler auf ihren Visitenkarten komische Symbole stehen hatten, die sie E-Mail-Adresse nannten. Was wollten die damit?

Ich lernte Niko Kohls kennen und durch ihn die html-Sprache. (Heute habe ich alles vergessen.) Plötzlich hatte das Institut einen Internetauftritt mit dem schönen Zeichen Ψ (psi), aber keiner machte etwas damit. Es war eine anarchische Zeit, ich griff ein und machte die Seite zu meiner eigenen, begann mit einem Überblick über neue Artikel und Bücher aus der Psi-Szene (was ich sogar auf Englisch anbot), führte dann meine Mittwochs-Kolumne ein und bot Roman-Anfänge und Reise-Erlebnisse an.

Mitarbeiter Emil Boller kritisierte damals, das habe zu wenig mit dem Institut und seinen Themen zu tun, und damit hatte er recht. Ich geriet langsam auf den Ego-Trip. Mühevoll entzifferte ich die Zugriffszahlen, und das waren 60 für die wöchentliche Kolumne und manchmal 1000 monatlich für die ganze Seite. So lief das hin, ich war autonom. Der erste Artikel in meinem Ordner datiert vom Juni 1997, der letzte vom Dezember 1998. Eineinhalb Jahre feuerte ich aus allen Rohren. Dann der Untergang. Die Seite vom 17. Dezember 1998, unten abgebildet, verkündet Motivationsprobleme und eine ungewisse Pause.  

 

Danach nahm das Institut die Seite in die Hand. Ich löschte meine Beiträge, und seither ist die Seite eine weitgehend statische geblieben, seit 13 Jahren. Was hätte man daraus machen können! Institutionen sind meist tote Fische mit Zombie-Internetseiten. Ich verschwand im September 1999 nach Rom, schrieb sechs Jahre die Kolumne Ausreißversuche in der Kritischen Ausgabe und gründete mit Helmut die futura9. Jetzt ist manipogo die neue Para-Page. Ein Comeback. Yeah!   

 

 

 

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