Orakel (5): Internet und Buchtests
Das wird nun eher ein Schuss ins Blaue. Die Suchmaschinen des Internets liefern ja Millionen Treffer, aber nur die ersten zehn sind interessant. Manchmal trifft ein Link ins Schwarze. Und manchmal öffnet man willkürlich ein Buch — und stößt auf eine Stelle, die direkt mit einem zu tun hat. Natürlich, der Bibliotheken-Engel. Vielleicht kann das auch ein Orakel sein?
Eine Geschichte fand ich toll. Ich stand in Kontakt mit einer Frau in einer Kleinstadt, die für ein Amt tätig war und eine für meine Zukunft wichtige Entscheidung zu treffen hatte. Es bewegte mich. Am Abend suchte ich etwas völlig Anderes: einen Psychotherapeuten, der im C. G. Jung-Institut in Chicago Vorträge hielt. Ein anderer Vortrag fiel mir auf, und ich dachte, vielleicht hatte die Referentin einen prominenten Vater, irgendwie war mir der Name geläufig. Ich gab ihn ein — und gleich unter den ersten zehn Ergebnissen tauchte die nämliche Kleinstadt auf, es ging um Nachrücker im Gemeinderat, und ein Name erschien, der fast so lautete wie der Name meiner Gesprächspartnerin. Aus all den Millionen Orten der Welt erscheint dieser Ort! Wohl, weil ich intensiv an ihn gedacht hatte. Reagiert die Schmaschine auf Gedanken? Ich war baff.
Da laufen also unterirdische Prozesse ab, die wir nur unzureichend kennen. Reagieren wir auf Gedanken? Vor kurzem besuchte ich Winnie in seinem Müllheimer Fahrradgeschäft. Großes Hallo! Er und sein lustiger Mitarbeiter hatten zuletzt vier Mal von jemandem geredet, der dann am nächsten Tag in der Tür gestanden war. Von mir hatten saie am Tag zuvor geredet, wann er denn wieder käme? Ich wollte in Müllheim Tabak kaufen und in den Schreibwarenladen, und da fiel mir ein: Mach doch eine Runde, schau mal wieder bei Winnie vorbei. Gut möglich, dass dieser Einfall von außen kam, als Appell. Wir wissen nicht, ob alle Gedanken tatsächlich von uns kommen.
Die Suchmaschine liefert uns natürlich konkrete Hilfe, aber manchmal ist auch wirklich ein Treffer dabei, wodurch sich eine Tür öffnet. Es ist einfach ein Gefühl von Evidenz, von seltener Klarheit. Man sollte vielleicht einfach Google oder Bing befragen und schauen, was herauskommt.
Buchtests waren ja in der Frühzeit der Psi-Forschung eine Methode, Medien zu überprüfen. Man fragte Gladys Osborne Leonard, was auf Seite 534 eines bestimmten Buches stand, und sie konnte es oft angeben. Vielleicht war das Hellsehen: Sie versetzte sich in die Zukunft und las mit, was herauskommen würde. Wenn ich ein Buch rasch aufschlage, und die Stelle sagt mir das, was mich derzeit bewegt, ist das natürlich schön und vielleicht paranormal, aber ich habe nichts gewonnen dabei. Mir wird nur meine Situation zurückgespiegelt. Wenn ich etwas finde, das ich lange gesucht habe, war’s der Bibliothekenengel. Uns wird ja auf vielfältige Weise geholfen.
Vielleicht sollte man ein Buch aufschlagen und die Stelle als Handlungsanweisung nehmen, als Tipp, wie ich mich verhalten könnte. Das ist zwar weniger treffend als ein Bild aus dem I Ging, kann aber trotzdem hilfreich sein. In einer verzwickten Situation muss man eine Öffnung erreichen. Ich versuche es jetzt, obschon ich kein konkretes Problem vor mir habe. Und ich werde das Ergebnis getreu zitieren:
Quando io movo i sospiri a chiamar voi,
e l nome che nel cor mi scrisse Amore …
Der Beginn des 5. Sonetts der Rime von Francesco Petrarca. Er seufzt und will sie (seine Laura) anrufen, er denkt an Liebe … gut, das schlägt in mir eine Saite an: Ich hatte sie heute gerade nicht angerufen, weil sie die letzten Male kurz angebunden und unfreundlich war; aber jetzt ist es zu spät. Morgen.