Die Hexe von En-Dor

Physikalischer Mediumismus ist das Größte überhaupt: Durch ein starkes Medium sind Verstorbene in der Lage, sich zu materialisieren und durch den Raum zu spazieren, bis irgendwann ihre Energie nachlässt. So ein Phänomen wird uns in der Bibel präsentiert, im ersten Buch Samuel: König Saul geht zur Hexe von En-Dor, um den toten Samuel kurzzeitig von den Toten zu erwecken. 

Für das Christentum war Kontakt mit der Geisterwelt immer von Übel, und die Saul-Geschichte wird immer als abschreckendes Beispiel dargestellt. Doch wir sollten die Episode einmal ganz lesen. Die Vorgeschichte: Samuel, der Prophet, kommt mit froher Kunde zu Saul. Er soll zum König gesalbt werden und dafür dem Herrn gehorchen. Samuel:

So spricht der Herr der Heere: Ich habe beobachtet, was Amalek Israel angetan hat. Es hat sich ihm in den Weg gestellt, als Israel aus Ägypten heraufzog. Darum zieh jetzt in den Kampf und schlag Amalek! Weihe alles, was ihm gehört, dem Untergang! Schone es nicht, sondern töte Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel! (1 Sam 15,2,3)

RgemetzelDas kann jeder nachlesen. Wen friert es da nicht? Gott der Herr will, dass unschuldige Menschen — ausdrücklich Frauen, Kinder und Säuglinge — abgeschlachtet werden, um Amalek zu strafen. Es gibt ja Leute wie die Zeugen Jehovas, die die Ansicht vertreten, die Bibel komme direkt von Gott. Doch, keine Frage: Es kann nicht sein, dass der Allmächtige und Barmherzige so etwas will. Es war ein blutrünstiges Zeitalter damals, Samuel war hasserfüllt und ließ sich davontragen. Wie oft wurde ein Befehl als von Gott kommend verkauft (Kreuzzüge: Gott will es!)! Der Gott des Alten Testaments ist eine Projektion der Menschen jener Zeit.

Es kommt noch absurder: Saul hat die besseren Rinder und Kamele für sich behalten, die auch untergehen hätten sollen, und auf Samuels Vorwürfe hin versucht er, sich hinauszureden. Da erkennt ihm Samuel die Königswürde gleich wieder ab. Seine 200.000 Mann haben also alles niedergehauen, was lebte, aber dass er ein paar wertvolle Rinder schonte, wird ihm zum Verderben. Der Herr will unbedingten Gehorsam! David macht sich einen Namen, besiegt Goliath, macht sich Saul zum Feind, der Samuel bis zu dessen Tod nicht mehr wiedersieht, und das wurmt ihn.

Nun der biblische Text (1 Sam 28,7-25):

Daher sagte Saul zu seinen Dienern: Sucht mir ein Frau, die Gewalt über einen Totengeist hat; ich will zu ihr gehen und sie befragen. Seine Diener antworteten ihm: In En-Dor gibt es eine Frau, die über einen Totengeist Gewalt hat. Da machte sich Saul unkenntlich, zog andere Kleider an und ging mit zwei Männern zu der Frau. Sie kamen in der Nacht bei der Frau an, und er sagte zu ihr: Wahrsage mir durch den Totengeist! Lass für mich den heraufsteigen, den ich dir nenne. Die Frau antwortete ihm: Du weißt doch selbst, was Saul getan hat. Er hat die Totenbeschwörer und Wahrsager im Land ausgerottet. Warum stellst du mir eine Falle, um mich zu töten? Saul aber schwor ihr beim Herrn und sagte: So wahr der Herr lebt: Es soll dich in dieser Sache keine Schuld treffen.

Die Frau sagte: Wen soll ich für dich heraufsteigen lassen? Er antwortete: Lass Samuel für mich heraufsteigen! Als die Frau Samuel erblickte, schrie sie laut auf und sagte zu Saul: Warum hast du mich getäuscht? Da bist ja Saul! Der König sagte zu ihr: Hab keine Angst! Was siehst du denn? Die Frau antwortete Saul: Ich sehe einen Geist aus der Erde heraufsteigen. Er fragte sie: Wie sieht er aus? Sie antwortete: Ein alter Mann steigt herauf, er ist in einen Mantel gehüllt. Da erkannte Saul, dass es Samuel war.

Saul und die Hexe von Endor: Gemälde von Benjamin West /1738-1820). Hängt in London

Saul und die Hexe von Endor: Gemälde von Benjamin West (1738-1820). Hängt in London

Er verneigte sich mit dem Gesicht zur Erde und warf sich zu Boden. Und Samuel sagte zu Saul: Warum hast du mich aufgestört und mich heraufsteigen lassen? Saul antwortete: Ich bin in großer Bedrängnis. Die Philister führen Krieg gegen mich, und Gott ist von mir gewichen und hat mir keine Antwort mehr gegeben, weder durch die Propheten noch durch die Träume. Darum habe ich dich gerufen, damit du mir sagst, was ich tun soll. Samuel erwiderte: Warum fragst du mich? Der Herr ist doch von dir gewichen und ist dein Feind geworden. Der Herr hat dir das Königtum aus der Hand gerissen und hat es einem anderen, nämlich David, gegeben. Weil du nicht auf die Stimme des Herrn gehört und seinen glühenden Zorn an Amalek nicht vollstreckt hast, darum hat dir der Herr heute das getan. Der Herr wird auch Israel zusammen mit dir in die Gewalt der Philister geben, und morgen wirst du samt deinen Söhnen bei mir sein; auch das Heerlager Israels wird der Herr in die Gewalt der Philister geben.

Da fiel Saul der Länge nach jäh zu Boden, so sehr war er über die Worte Samuels erschrocken. Es war auch keine Kraft mehr in ihm, weil er den ganzen Tag und die ganze Nacht keinen Bissen gegessen hatte. Die Frau ging zu Saul hin und sah, dass er ganz verstört war; sie sagte zu ihm: Deine Magd hat auf deine Stimme gehört; ich habe mein Leben aufs Spiel gesetzt, als ich auf das hörte, was du zu mir gesagt hast. Jetzt aber höre auch du auf die Stimme deiner Magd! Ich will dir ein Stück Brot zum Essen geben. Dann wirst du wieder zu Kräften kommen und kannst deines Weges gehen. 

Er aber weigerte sich und sagte: Ich esse nichts. Doch seine Diener und die Frau drängten ihn, bis er auf ihre Stimme hörte. Er erhob sich vom Boden und setzte sich aufs Bett. Die Frau hatte ein Mastkalb im Haus. Sie schlachtete es in aller Eile, nahm Mehl, knetete Teig und backte ungesäuerte Brote. Das alles setzte sie Saul und seinen Knechten vor; sie aßen, standen auf und gingen noch in der gleichen Nacht zurück.    

Saul und seine drei Söhne wurden, wie von Samuel vorhergesagt, im Gebirge von Gilboa erschlagen. Sauls Leiche hängte man an die Mauer von Bet-Schean, von wo sie die Männer von Jabesch-Gilead fortnahmen. Sie verbrannten die Leichen von Saul und seinen Söhnen, bestatteten die Gebeine und fasteten sieben Tage lang.

 

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