Die Glocken von Schloss Holligen

Die Kirchenglocken, die bei Manfred von Rivas Tod spontan läuteten, hatten mich zu den Glocken von Carpegna gebracht, und nun kann ich noch die Glocken von Schloss Holligen bei Bern hinterherschieben. Solche psychokinetischen (Psychokinese: Bewegung durch den Geist) kommen vor, aber richtig erklären lassen sie sich nicht.

2023-02-17-0007Natürlich ist mir dazu wieder ein Artikel in die Hände geflattert: Schloss Holligen, Glocken von Geisterhand geläutet, aus der Basler Zeitung, 17. August 1995, Autor Heinz Dapp. Er weist auf das Buch Berner Spuk von F.A. Volmar (1875-1945) hin, erschienen 1969. Volmar war Jurist und Professor für Verkehrsrecht in Bern und in seiner Freizeit Lokalhistoriker. — Hinter vielen geisterhaften Erscheinungen steckt eine Geschichte, und die hat er erzählt.

Der Berner Oberst Hans von Diessbach heiratete die Französin Jeanne de Refuge, die er am dortigen Königshof kennengelernt hatte, und nahm seine Frau 1522 mit nach Bern. Sie war indessen unzufrieden. Das Schloss war ihr zu klein, außerdem störte sie, dass es keine Zugglockenvorrichtung gab, um Diener herbeirufen zu können. Sogleich ließ ihr Mann das nachholen, so dass in allen Räumen und Gängen des Schlosses bald kleine Glocken hingen.

Frau Jeanne terrorisierte nun ihr Gesinde mit unnötigem Läuten. Manchmal sagte sie, sie habe nicht schlafen können, also sollten ihre Dienstboten auch nicht schlafen. Angeblich soll einmal ein Alarm die junge Frau des Torwächters so erschreckt haben, dass diese, die gerade ein Kind geboren hatte, starb. (Es mag sich aber auch um eine Erfindung handeln.) Lange dauerte dieser Zustand nicht an. Frau Diessbach-de Refuge kehrte nach Frankreich zurück und starb dort eines gewaltsamen Todes. Ihr Mann Hans folgte König Franz I. 1524 auf einem Feldzug nach Italien und fiel schon 1525 in der Schlacht von Pavia.

Fast 300 Jahre später: Der Berner Physikprofessor Friedrich Trechsel war 1816 Zeuge, dass zwei der Glocken im Schloss vom 31. Juli bis zum Abend des 2. August unaufhörlich läuteten, ohne dass sie zum Stoppen gebracht werden konnten. Es gab viele Zeugen, und Trechsel schrieb, das Läuten sei eine »Thatsache ausser allem Zweifel«. Im August 1928 läuteten wieder zwei der verbliebenen vier Glocken Sturm, drei Tage und zwei Nächte lang, wie die Haushälterin Paula Gilgen zu Protokoll gab. Sie läuteten, ohne unter Spannung zu stehen. — Professor Volmar spürte noch 17 weitere Fälle von selbstläutenden Glocken in Europa auf.

Manchmal sind geisterhafte Phänomene oder Gestalten an Jahrestagen zu beobachten: Die Phantom-Ahalterin etwa steht als Geist am Jahrestag ihres Todes am Straßenrand. In unserem Beispiel geschah das Läuten im Juli und August, aber 1816 und 1928 ergibt 330px-Fanny_Moser_1872-1953keinen Sinn, da die Eheleute — sollten sie verantwortlich sein — um 1525 starben. Wir kennen also die Auslöser des Läutens nicht. Waren noch ehemalige Dienstboten als erdgebundene Geister unterwegs und spukten im Schloss? Zum Mechanismus hat die Spukforscherin Fanny Moser (1872-1953) einmal über »Mimikry-Geräusche« geschrieben: Nichts regt sich, und doch hören wir es. Es sind tönende Halluzinationen und geisterhafte Echos von ihren vermeintlichen Urhebern.

Frau Moser hat 1950 das Buch Spuk: Irrglaube oder Wahrglaube? verfasst und dem Freiburger Institut noch einen zweiten Teil vermacht, den ich redigierte, aber wie immer blieb das damals, 1995, als unser Artikel in der Basler Zeitung erschien, Beschäftigungstherapie; veröffentlicht wurde nichts.

 

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