Xenomelie
Mitte März wurde ein in Zürich ein international besetztes zweitägiges Symposion über Xenomelie veranstaltet. Das ist eine seltene Krankheit, eine Störung der Identität der Körperintegrität: Menschen haben das Gefühl, dass ein Arm oder Bein nicht zu ihnen gehört, und sie möchten das störende Glied amputiert wissen. Ich schreibe nicht gern darüber, aber man sollte wissen, was es gibt auf dieser Welt.
Ich schreibe deshalb darüber, weil ich Peter Brugger gut kenne, den Leiter der Neuropsychologie der Abteilung Neurologie am Zürcher Universitätsspital. Er hat zusammen mit Bigna Lenggenhager, Neuropsychologin am Kinderkrankenhaus Bern, das Treffen organisiert. Zu den zehn Referenten gehörten etwa Michael B. First, Psychiatrie-Professor in New York, Paul McGeoch aus Edinburgh, Gabriella Bottini, Professorin für Neurologie in Pavia und Silvia Oddo aus Frankfurt.
Sie sprach über psychologische, neurologische und sexuelle Aspekte der Xenomelie (griechisch: xeno = fremd, melos = Glied), Peter Brugger über »Körper, Selbst und Identität aus neuropsychologischer Sicht«, und Sarah Noll aus Hildesheim und Erich Kasten aus Hildesheim schilderten, wie eine Amputation das Leben der Erkrankten veränderte.
Fragen der Konferenz lauteten: Wie entsteht der Wunsch nach einer Amputation oder Behinderung? Welches sind die ethischen und medizinrechtlichen Aspekte einer Amputation von gesunden Körperteilen? Was unterscheidet eine Amputation aufgrund von Xenomelie von einer Geschlechtsumwandlung im Rahmen des Transsexualismus? Welche Rolle spielt Sexualität bei der Xenomelie?
Alles in einem sträubt sich dagegen, das Thema abzuhandeln. Der Körper als Tempel. Es kommt einem verbrecherisch vor, sich selbst zerstören zu wollen, aber andererseits scheint es echten Leidensdruck zu geben, der vermutlich neurologische Ursachen hat: eine Krankheit also. Dagegen helfen anscheinend keine guten Worte und keine Argumente. Der Mensch ist uns, ach, ein Rätsel und wird uns immer ein Rätsel bleiben.