TestpilotInnen (36): George Rodonaia

Der Fall von George Rodonaia ist ein sehr berühmter, da der Mann drei Tage lang tot im Leichenschauhaus lag, bevor er wieder zum Leben erwachte. Gut, dass Victor Zammit ein altes Interview mit Rodonaia brachte, so kann manipogo das Versäumnis wiedergutmachen, die Geschichte noch nicht erwähnt zu haben. Sie spielte sich 1976 ab. 

George-Rodonaia-02Dr. George Rodonaia arbeitete in Moskau als Neuropathologe und war selbstredend Atheist. Erst 1989 ging er in die USA, erwarb auch einen Doktortitel in Religionspsychologie, um danach Pfarrer der orthodoxen Kirche zu werden. Rodonaia ist 2004 gestorben. In einem kurzen Interview erzählte er:

Ich hatte 1975 eine Einladung aus den USA erhalten. 1976 bekam ich mein Ausreisevisum und wollte nach New York fliegen; meine Familie wartete auf dem Flughafen auf mich. Als ich auf dem Bürgersteig war, wurde ich von einem Auto erfasst. Es war eine Aktion des (Geheimdienstes) KGB. Sie wollten mich töten, damit sie mich nicht gehen lassen müssen. Ich wurde ins Krankenhaus gebracht, und die Ärzte versuchten alles Erdenkliche, um mich zu retten, doch dann wurde ich für tot erklärt. 

In einem Blog wird aus einem Buch von Philip Berman zitiert, der Rodonaia länger erzählen ließ.

dottDas erste, woran ich mich bei meiner Nahtoderfahrung erinnere, war, dass ich mich in einem Reich totaler Dunkelheit befand. Schmerzen hatte ich keine, irgendwie war ich mir meiner Existenz als George noch bewusst, und um mich herum war diese Dunkelheit, völlige undurchdringliche Dunkelheit — die tiefste jemals erfahrene Dunkelheit, dunkler als dunkel, schwärzer als jedes Schwarz. … Ich war schockiert festzustellen, dass ich noch existierte, aber ich wusste nicht, wo ich war. Ich hatte nur den einen Gedanken: »Wie kann ich sein, wenn ich nicht bin?« Das bekümmerte mich. (…)

Dann dachte ich: Was ist positiv verglichen mit der Dunkelheit? Nun, positiv ist Licht. Und plötzlich war ich im Licht; ein helles Weiß, leuchtend und stark; ein sehr helles Licht. … Zuerst fand ich die Helligkeit des Lichts schmerzhaft, ich konnte nicht direkt hinsehen. Doch allmählich begann ich mich zu entspannen. Mir wurde warm, ich fühlte mich getröstet, und alles schien plötzlich in Ordnung zu sein.

90Was dann passsierte, war, dass ich alle diese Moleküle, Atome, Protonen und Neuronen herumfliegen sah, einfach überall. Einerseits war es total chaotisch, doch was mir Freude bereitete war, dass dieses Chaos seine eigene Symmetrie besaß. … Ich sah die universelle Form des Lebens und der Natur vor meinen Augen ausgebreitet. In dieser Phase verschwand jede Besorgnis, den Körper betreffend, denn es war mir klar, dass ich ihn nicht mehr brauche, dass er in der Tat eine Einschränkung war. … Die Zeit, wie ich sie gekannt hatte, kam zum Erliegen; Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schienen mir wie in einer zeitlosen Einheit zusammengeschmolzen zu sein.

Irgendwann wurde ich dem Lebensrückblick unterzogen, denn ich sah mein Leben vom Anfang bis zum Ende gleichzeitig. Ich nahm an den wahren Dramen meines Lebens teil, und es war wie ein holographisches Bild ohne ein Gefühl für Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft, es war jetzt und war die Realität meines Lebens. (…) Ich verspürte keinerlei Schuldgefühle oder Reue für Dinge, die ich getan hatte. Ich mache mir keine Gedanken über Versagen oder Erfolge. Alles, was ich spürte, war, dass dies mein Leben war. Und ich war zufrieden damit. Ich akzeptierte es.  

LichtWährend dieser Zeit strahle das Licht einen Frieden und eine Freude aus. Es war so positiv; ich war so glücklich, im Licht zu sein. Und ich begriff, was das Licht bedeutete. Ich lernte, dass alle physikalischen Regeln des menschlichen Lebens nichts galten verglichen mit dieser vereinigenden Realität. (…) Ich sah, dass die Realität überall ist. Dass sie nicht nur das menschliche Leben ist, sondern das unendliche Leben. Alles ist nicht nur miteinander verbunden, alles ist gleichzeitig eins. So empfand ich eine Ganzheit zusammen mit dem Licht, ein Gefühl, dass ich ins Universum gehöre. 

Ich konnte sofort irgendwo sein — und war wirklich dort. … Ich hielt es für notwendig, über die Bibel und Philosophie zu lernen. Du willst es und bekommst es. Denke — und es kommt zu dir. So nahm ich teil, ich ging zurück und lebte in den Gehirnen von Jesus und seinen Jüngern. Ich hörte ihre Konversation, sah, wie sie aßen und sich den Wein reichten, dazu Gerüche und Geschmack — und dennoch hatte ich keinen Körper. Ich war reines Bewusstsein. Wenn ich nicht verstand, was passierte, kam eine Erklärung. Aber kein Lehrer sprach. Ich erforschte das römische Reich, Babylon, die Zeit von Noah und Abraham. Jede Epoche, die man sich vorstellen kann — ich war dort.

Und da war ich also, überflutet mit all diesen guten Dingen und diesem wunderbaren Erlebnis, als jemand anfängt, mir in den Bauch zu schneiden. (…) Sie stoppten die Obduktion sofort und brachten mich ins Krankenhaus, wo ich die folgenden neun Monate blieb, meist künstlich beatmet. 

— Er würde nie wieder derselbe sein, sagte Rodonaia, er habe danach bis ans Ende seiner Tage nur Weisheit studieren wollen, sei Priester geworden und arbeite in einer Pfarrei in Nederland im US-Staat Texas. Der Pfarrer sagte, niemand werde die großen Fragen des Universums kennen, erst im Tod werde das geschehen. Er zitierte unseren Poeten Rainer Maria Rilke, der in seinem Gedicht Über die Geduld schrieb:

Man muss Geduld haben

Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.

Ø Ø

Und zum Schluss noch ein Interview von Franz Dschulnigg mit Margrit Hartmann. Das dauert eine Viertelstunde, das kann man sich schnell mal anschauen, so muss ich nicht einen extra Beitrag draus basteln. Dafür gab’s in den ersten 8 Tagen 20.000 Abrufe: Was manipogo derzeit in einem Monat hat. Aber ganz ohne Neid, es ist verdient und hilft der Sache.

 

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