Nichts zu tun in Rangun

Vor vier Jahren hatte ich auf meinem Fahrrad-Urlaub ein Theaterstück begonnen; in Nürnberg war es, dass mich eine Eingebung überkam. Später arbeitete ich es aus, doch leider kam es nie zur Aufführung. Die Bewohner hätten sogar ablesen können, und die Hauptrolle (den Engel) hätte selbstverständlich ich gespielt. Darum veröffentliche ich es hier in 3 Teilen; ist lustig: ein Tag im Altenheim!  

Personen:

Die Pflegerinnen:
Tania, Tina, Tonia und Tess
Die Bewohnerinnen und Bewohner:
Rut Saller, Peter Panter, Klara Falk, Maria Malibran
Der ENGEL.

Ort: Ein Altenpflegeheim im Schwarzwald

Szene 1

Tania: Hast du nicht gestern was vergessen?
Tina: Wüsste nicht was; höchstens zu essen.
Tania: Frau Egle saß vier Stunden auf dem Klo,
und keiner kam. Sie schlief dann ein, und so
fand sie der Nachtdienst, brachte sie ins Nest.
Ist alles gut, sie schläft noch fest.
Tina: Die Helen? Ach, ich wurde abgelenkt.
Vom Arendt, hab mir fast das Kreuz verrenkt.
Glaub mir, ich bedaur es sehr.
Tania: Zum Glück weiß sie es schon nicht mehr.
Hat es vergessen. Demenz ist manchmal schon ein Segen.
Die Sache kann man zu den Akten legen.
Und nun, falls du’s nicht hast bemerkt,
haben sie gefrühstückt, sind gestärkt.
Ich rauch jetzt mal ne Zigarette,
auch wenn Frau Wiener schreit: Toilette!
Los, vorher schieben wir sie in den Vordergrund.
Vielleicht haben wir mal Ruhe für ne Stund.

Sie gehen hinter und schieben vier Bewohner nach vorn, Klara und Peter in die erste Reihe, Rut und Maria dahinter, verschoben. Dann gehen Tania und Tina ab.

Klara: Nun sitzen wir vor all den Leuten
und ungeschützt; was hat das zu bedeuten?
Ohne meinen Anwalt sage ich kein Wort.
Maria: Ich will jetzt heim, holt mich hier fort!
Peter (zu Klara): Jemand erzählt, die Helen saß ganz lange auf dem Klo.
Klara: Letzte Woche gings mir ebenso.
Peter: Viele Stunden – aß sie denn ein Pferd,
das sicherlich den Darm beschwert?
Kann sein, dass sich da manches staut.
Es dauert lang, bis man’s verdaut.
Klara: Was will die Helen schon groß essen?
Man hat sie halt am Klo vergessen.
Peter: Vier Stunden – nen Roman kann man da lesen.
Klara: Für Helen wärn die zehn Gebote schon zu viel gewesen.
Die checkt nichts mehr, will kaum mehr essen,
und wer wir sind, das hat sie auch vergessen.
Maria: Wo bin ich denn? Zeigt mir den Weg nachhaus.
Wir sind gefangen, und ich will hier raus.
Klara: Begreif’s, Maria, hier sind wir daheim.
Zuhause ist doch keiner mehr, gibt keinen Reim.
Peter: Heimkommen kannst du glatt vergessen. Richtig ist,
dass du von deinen Lieben wohl vergessen worden bist.
Klara: Oder sie kommen: Hallo Oma, alles klar?
Nach einer Stunde sagen sie: Wir sehn uns nächstes Jahr.
Maria: Och, mir ist langweilig, ich will hier weg.
Was ihr hier sagt, das intressiert mich einen Dreck.

(fährt weg)

Klara: Und wir sind hier, und alle schaun uns an.
Das Gehen fällt mir schwer, ich habe keinen Plan.
Peter: Ich weiß nur eins: Wenn ich mal steh,
dann geh ich auch, und nichts tut weh.
Drum los, was woll’n wir warten?
Bis Mittag gehen wir in den Garten.

DER ENGEL, weiß gekleidet, kommt und schiebt sie weg, erst die eine, dann den anderen.

Szene 2

ENGEL:

Ich führ jetzt einen Engel ein.
Mich. Kann kein andrer sein.
Ich führe euch auf dieser Reise
vom Frühstück bis zur Abendspeise,
durch diesen lieben langen Tag,
dem auch ein andrer folgen mag.

Vor langer langer langer Zeit
war hier mein Platz, im andern Kleid.
Der Übergang war ziemlich sacht,
hat mir kaum einen Schmerz gemacht.
Zum Jenseits hats noch keine Eile,
ich dachte mir: Bleib noch ne Weile.
Ich helfe, wo ich helfen kann,
auch ohne Körper, dann und wann.
Die Pflegerinnen sehn mich nicht.
Nur höchstens mal ein mattes Licht.

Tania und Tina kommen von beiden Seiten, er springt weg.

Tania: Heut mittag gibt es Schweinebraten.
Tina: Mangels andrer großer Taten.
Tania: Bis dahin dauerts noch ne Stunde.
Tina: Wir machen gleich noch eine Runde.
Tania: Ein paar müssen den Darm entleeren.
Da dürfen wir uns nicht beschweren,
wir managen Stoffwechsel-Endprodukte,
das hört nicht jeder gern, und mancher schluckte.
Gehört jedoch dazu, es ist der Job,
und wenn du anfängst, weißt du noch nicht, ob
du in der Lage bist, das zu ertragen.
Tania: So ist das Leben, mehr kann man nicht sagen.

Die beiden ziehen sich Handschuhe an und gehen weg. 

ENGEL

Nun ja, wir kommen eben auf die Welt,
ob wir es hassen, oder ob es uns gefällt.
Ein Anfang. Und: Wir essen was.
Man will ja leben. Macht auch Spaß.
Dann wandert dieser gute Fraß
vom Magen durch den Darm und meldet das:
Ich will hinaus! Das Ende einer Nahrungskette.
Wir hocken uns auf die Toilette.
Das ist normal und sollte nicht schockieren
und nicht die Lebensfreude uns blockieren.
Ein Ende, wie das Lebensende eines ist.
Man lässt etwas zurück, was man sogleich vergisst.
Steht auf, beginnt eine neues Leben.
Na ja, etwas geschmacklos, aber auch nicht ganz daneben …

Ab.

Klara: Das war das also mit dem Braten.
Ein bisschen zäh, der Rest war wohlgeraten.
Peter: Die Soße und die Nudeln waren fein,
auch das Gemüse. Leider wars ein altes Schwein.
Klara: Ich fürchte, heut ist tätig eine lahme Truppe.
Wir sind hier noch ne ziemlich große Gruppe.
Wir wollen auf die Zimmer und dort ruhn.
Es gibt gerade nicht viel mehr zu tun.
Es ist ja schon halb eins.

Von hinten, Rut:

Was, kommt er endlich, mein Karl Heinz?
Klara: Von Karl-Heimz hab ich nichts gesagt.
Rut: Was? Sie haben ihn dort fortgejagt?
Er ist so nett, wie konnten sie das tun?
Klara: Ach, lass es doch, wir wollen lieber ruhn.
Rut: Ja warum tut er das? Geht nach Rangun.
Wie kann er das, in seine leichten Schuhn?
Peter: Das ist mir alles unerklärlich.
Vielleicht ist er ja noch in Mülheim-Kärlich.
Klara: Wir sind nun müde, wollen mittags schlafen,
das haben wir verdient, wir Braven.
Maria: Ich will mal heim, zu meinen Schafen.
Wofür tut man mich hier bestrafen?

Von links und rechts die Pflegerinnen, die die Leute abholen und wegbringen.

Morgen Teil 2 

 

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