Kreuz des Südens
Das Apartheid-Regime in Südafrika, das ab 1948 stellvertretend für 4 Millionen Weiße 40 Millionen schwarze Menschen grausam unterdrückte, endete 1994. Nelson Mandela wurde Staatspräsident, und Bischof Desmond Tutu kümmerte sich um die Versöhnung. Viele Wunden blieben zurück. Jann Turner, 1964 geborene Regisseurin und Autorin, widmete 2002 ihren Roman Southern Cross jener turbulenten Zeit.
Die deutsche Übersetzung heißt Unter dem Kreuz des Südens. (Das Kreuz des Südens ist das bekannteste Sternbild des Südhimmels.) Es ist ein spannender Kriminalroman, der 1987 beginnt. Paul, weiß, liebt Anna, schwarz. Er unterstützr den Afrikanischen Nationalkongress und betreibt Arbeit für den Widerstand gegen das Regime. Nach einer langen Haft bricht er mit einem Freund zu einem geheimen Treffen auf, doch die beiden werden erschossen. Anna braucht lange, den Verlust zu überwinden und wird Mitarbeiterin eines Ministeriums. Ein bekannter Journalist, James Kay, findet Pauls Namen unter den Spionen des Regimes. War er ein Doppelagent? Anna ist verzweifelt.
Da müssen wir nicht bis nach Südafrika gehen, das kam auch in Deutschland vor. Als nach dem Fall der DDR jeder seine Stasi-Akten (diejenigen des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin) einsehen konnte, gab es oft große Augen. Denn manch guter Freund war IM, also Informeller Mitarbeiter des Amtes, die 179.999 Namen zählten. Auf 90 DDR-Bürger kam ein Spitzel oder Denunziant. Wenn dieser dein Lebensgefährte war und dir von Liebe sprach, während er geheime Botschaften über deine Kontakte absetzte, war das ein großer Schock. Da brach eine Welt zusammen, und so war das auch für Anna.
Vor der Wahrheitskommission, die für Vergebung und Versöhnung warb, wurden zehn Jahre später die Tatsachen offenbar. Doch: Wer brachte Paul und seinen Freund um? Anna recherchiert bei Ex-Polizisten und in deren Umkreis. Die Polizei warb Spitzel an und unterwanderte oppositionelle Kreise, unterstützte Verbrecherbanden und trieb unbekannte Spiele hinter den Kulissen. Journalisten und Sympathisanten der Anti-Regime-Aktivisten versuchen, Licht in das Dunkel zu bringen. Anna lässt nicht locker und gewinnt durch ihre Recherche an Kraft.
Es ist ein spannender Roman mit unerwartetem Ausgang. Was dabei auffällt: der durchgehend erotische Unterton. Da gibt es eine Menge sexy Frauen, die sich nicht verstecken und vieles zeigen. Die Autorin wird da ziemlich direkt, und hätte das ein Mann geschrieben, würde man sagen: stop! Das ist purer Machismo. Doch eine Frau, die noch dazu Südafrikanerin ist, darf das anscheinend, und vielleicht war das damals die Stimmung in Journalisten- und Politikerkreisen, zumal in Afrika.
Jann Turner wollte wohl nur wiedergeben, wie Männer redeten und wie sich Frauen gaben (damals, aber vermutlich auch heute), und das hat den angenehmen Nebeneffekt, die Leserinnen und Leser etwas aufzugeilen. Sex verkauft sich; aber der Roman ist gut, und man möchte ihn am liebsten von vorne bis hinten durchlesen. In drei Tagen war ich durch. Ich wollte wissen, wie es ausgeht.