Mehr Worte statt Taten

Noch mehr Rechtfertigung für das Wort! Denn manipogo. das sind ja viele Worte, die womöglich zu Taten führen könnten. Erst der Linguist Pierce wies darauf hin, dass Worte auch Handlung sein können: Ich verurteile dich, sagt der Richter; ich trenne mich von dir, die Partnerin. Noch ein kleiner Beitrag über das Wort und die Tat.

Jesus Christus sagt im Matthäus-Evangelium (27,62):

Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht fordert ein Zeichen, und es wird ihm kein Zeichen gegeben werden außer dem Zeichen des Propheten Jona.

Das passt schön in unsere Zeit, die so naturwissenschaftlich denkt und immer Beweise will. Der Glauben jedoch fordert Vertrauen in das, was gesagt und geschrieben wurde. Selig, die nicht sehen und doch glauben!

Robert Musil (1880-1942) war ein präzise denkender Mensch und dabei ein Mystiker und alles andere als ein Tatmensch. Aus seinem Roman Mann ohne Eigenschaften hat manipogo vor 4 Jahren einmal den Beitrag Tatkraft und Tatsinn konstruiert. An anderer Stelle schreibt er über die Freude von Liebenden, sich zu unterhalten und stellt ihnen die Werke gegenüber:

Dann doch die Werke! Sind die Werke der Liebe, ihre Treue, ihre Opfer und Aufmerksamkeiten, nicht ihr schönster Beweis? Aber Werke sind zweideutig wie alles Stumme! Erinnert man sich seines Lebens als einer bewegten Kette von Geschehnissen und Taten, so kommt es einem Theaterstück gleich, von dessen Dialog man sich nicht ein einziges Wort gemerkt hat und dessen Auftritte recht einförmig die gleichen Höhepunkte haben!

Der sechsstündige Film Krieg und Frieden, den ich im Mai lobte, war voller Handlung, aber was mich dann echt begeisterte, war die Schlussszene mit der Musik und den Worten, die Pierre spricht — erst zu Natascha, dann zu uns allen, als Stimme Tolstois, des Autors. Was stumm ist, sei zweideutig, meint Musil. Doch das Beredte ist es nicht weniger. Auch das Geschriebene lässt Raum für Interpretation. Nichts ist eindeutig, alles subjektiv.

Eine Beteuerung kommt von Herzen; die Tat braucht so etwas auch, eine Motivation. Es muss eine »richtige« Motivation sein, sonst ist die schöne Tat ein Betrug.

Das Motto Mehr Worte, weniger Taten fand ich auch in einer Geschichte von Wolfgang Hildesheimer (1916-1991). Sie heißt 1956 — ein Pilzjahr. Der Autor erinnert an Gottlieb Theodor Pilz, der 1789 geboren wurde und 1856 starb. Hildesheimer hat gern Menschen erfunden und sie in die Geschichte gestellt. Pilz, den es gar nicht gab, versucht auf jegliche Art, Werke zu verhindern und Künstler zu bremsen. Manchmal gelingt es ihm, aber nicht immer. Pilzens letzter Brief von 1849 müsse berühren,

nicht nur wegen der darin geprägten Maxime »Mehr Worte, weniger Taten!«, … sondern vor allem wegen der bescheiden-resignierenden Manier, in welcher Pilz sich Rechenschaft über seine Erfolge und Missserfolge ablegt, indem er sein Leben als nicht wirksam genug hinstellt, um gegen den ungeheuren Schaffensdrang der Zeit anzukämpfen.

Musil nannte das im Mann ohne Eigenschaften den Gedeihniswahn, und er schilderte schon in den 19300-er Jahren den ganzen Irrsinn ständiger Bewegung und ständigen Vorankommens, und damals schon fehlte ein Sinn fürs Innehalten und fürs Nach-innen-Schauen, wie er heute fehlt. Pascal war es, der sagte, dass jedes Elend daher rühre, dass der Mensch nicht ruhig in seinem Zimmer bleiben könne.

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