8 Frauen, 3 Männer
Unterwegs findet man zuweilen schöne und kuriose Geschichten, die es verdienen, verbreitet zu werden. Mein Blick fiel auf einen Artikel der Zeitung »Piccolo« aus Cremona über die Bürgermeisterwahl in einem kleinen Ort 15 Kilometer östlich der Stadt, Motta Baluffi. Klingt schon mal »knuffig«, der Name.
Gestern bin ich für ein Foto hingefahren, weil’s auf meiner Strecke lag. Also: Der frühere Bürgermeister Matteo Carrara hörte ein Jahr früher auf und stellte sich dann der Wiederwahl. Als Kontrahentin hatte er seine Ex-Vize-Bürgermeisterin, Antonietta Premoli. Dann die Wahl: 227 Stimmen für die Premoli, 218 für Carrara. Wie knapp! 45 Prozent betrug die Wahlbeteiligung, also leben vermutlich 1200 Menschen in der Gemeinde.
Antonietta Premoli bekannte, die habe erst einmal Angst, weil alles so schnell gegangen sei. Und sie danke allen. Dann sagte sie:
»Unsere Gruppe entstand innerhalb von zwei Monaten, und gleich herrschte große Harmonie. Mein Team (la mia squadra), gebildet aus acht Frauen und drei Männern, wird sich gleich an die Arbeit machen.«
Das ist die Nachricht (und manipogo versteckt, ganz unüblich im Journalismus, immer die feinen Sachen und bringt sie gegen Schluss, damit man auch zu Ende liest)! 8 Frauen, 3 Männer! Das ist ein Vorbild für die große Politik, auch wenn die Ministerpräsidentin Giorgia Meloni heißt. Sie ist von vielen Männern umringt, wenn nicht umzingelt, das ist undankbar.
Da erinnere ich mich noch an eine Bürgermeisterwahl in Norwegen 2015, die eine Frau für sich entschied, die mit den blauen Schuhen. Doch ist das 8 Jahre her. Motta Baluffi, den Namen merken wir uns.
Gegen elf war ich dort. Es gab einen gut sortierten Supermarkt. Die Albanerin Tina (links im Bild) nahm für zwei riesige Bananen, einen Liter Wasser und ein Sandwich nur 5 Euro, und in das Sandwich drückte sie einen riesen Fladen Gorgonzola, der mir dann half, als harte 600 Höhenmeter zu überwinden waren.
Der Passo della Cisa war nicht zu schaffen, ich strandete in einem Ostello in den Bergen mit 6 Männern, die auf der Via Francigena wanderten, und wir diskutierten temperamentvoll übers Paranormale. Diego, 56 Jahre alt, konnte sich nie an einen Traum erinnern. Ich hoffe, dass er heute Nacht mal träumt. »Wozu dient das Jenseits?« fragte er. Ich erwiderte, dass die Toten dort lebten, und dass sie uns gern helfen würden. Überzeugt hat ihn das nicht,
In Motta Baluffi fragte eine Frau, warum mir der Name so gefiele. Ich sagte, er klinge nach Kindern, einfach nett. (40 Jahre zuvor hatte ich mal im Zürcher »Tagesanzeiger« von Schweizer Ortsnamen geschwärmt und Muottas Muragl erwähnt.) Sie verwies mich auf die Kirche, und dabei entdeckte ich auch das Bürgermeisteramt, in dem um 19 Uhr gestern Antonietta ihr Team vorstellte. Tina meinte übrigens, in Motta Baluffi lebten nur 900 Menschen. Oben verlaufen die Dämme zum Po, und ringsum ist nichts. Für sie ist es die Welt. Jeder Mensch ist eine Welt. Ich muss nun heute über den Pass (1039 Meter) und dann hinunter zum Tyrrhenischen Meer.