Im Warum-bist-du-hier-Café

In die Hände fiel mir das Buch Das Café am Rande der Welt, vor 20 Jahren in Amerika erschienen, Millionen Mal verkauft und gelesen. Also las ich es auch, in einer Stunde. (Es hat nur 125 Seiten.)  So kann ich ein rasches Urteil verfassen. Der Autor, John Strelecky, hat weitergeschrieben und versucht, den Leuten in teuren Seminaren den US-Sinn des Lebens nahezubringen.

Bücher mit profundem Inhalt können kurz sein, meinte einst Robert Musil. Wir ergänzen: Kurze Bücher müssen nicht notwendigrweise profunden Inhalt aufweisen; sie können so tun, als seien sie tief, sind dabei jedoch seicht. Man soll das Strelecky-Büchlein nicht überbewerten. Philosophen der ganzen Welt denken seit 4000 Jahren über den Sinn des Lebens nach; da ist es unwahrscheinlich, dass John Strelecky, geboren 1969 in Orlando, Florida, eine völlig neue und erleuchtende Antwort gefunden hat.

Desert Café, eine Aufnahme von Chianti

Desert Café, eine Aufnahme von Chianti

Das kleine Buch erschien zunächst im Selbstverlag und wurde später erst entdeckt. Das erinnert ein wenig an Pirsigs Buch über Zen in der Kunst, ein Motorrad zu warten, das von über 100 Verlagen abgelehnt wurde, bis es 1974 gedruckt wurde. Und Richard Bach kommt einem in den Sinn, der Autor und Pilot, dessen Die Möwe Jonathan (1970) sich 44 Millionen Mal verkaufte und dessen Illusionen (1977) auch sehr gelungen waren. Dagegen ist Streleckys Kaffeehausphilosophie dürftig. So ist das: Die Sinnfrage verschwindet eine Weile, und dann taucht sie wieder auf. Wir fingen mit dem Millennium wohl wieder neu an. (Über Bachs Bücher habe ich geschrieben, aber sehr gelungen war das nicht.)

Die Geschichte ist aber gut gestrickt. Der Erzähler steckt mit dem Auto im Stau, will in den Urlaub, verfährt sich und landet in einem einsamen Café in der Wüste, dem Why Are You Here Café. Das alte Trauerspiel eines verschenkten Titels im Deutschen erleben wir hier wieder. Auf der Rückseite der Speisekarte stehen drei Fragen:

Warum bist du hier?
Hast du Angst vor dem Tod?
Führst du ein erfülltes Leben?

Cindy, die Kellnerin, erzählt ihm eine Geschichte von einer grünen Meeresschildkröte, und Mike, der Besitzer, eine vom Meer in Costa Rica. Wir lesen auch ein paar andere altbekannte Geschichten übers Glück und das Geld. Der Autor fährt wieder ab und will sein Leben ändern.

Luisa von Passion Havest fragt jeden ihrer Gäste: Warum sind wir hier? Sie meint: hier, auf der Erde. Die Gäste sagen meistens: um Erfahrungen zu machen, um weise zu werden; um zu lernen, wie man liebt. Strelecky hat seine eigene Lösung, und die ist simpel und lautet ungefähr so:

Tu, was du gern tust, dann wirst du keine Angst mehr vor dem Tod haben, weil du alles gemacht haben wirst, was man hingekriegt haben sollte, und dann hast du ein erfülltes Leben. — Das ist total diesseitig, dazu braucht es weder Gott noch ein Jenseits. Nicht einmal der Nächste spielt da eine Rolle, nur ich ich ich. Die US-amerikanische Version der Sinnsuche. Das Loch, das die Kirchen hinterlassen haben, füllen nun Instant-Gurus wie unser Autor.

Da fällt mir der Spruch auf dem Laptop eines jungen Mannes ein:

Ich will mich lieben, nur dann kann ich andere lieben.

Auch das ist eine Devise von heute. Liebe dich selbst ist das erste Gebot, und der Nachsatz ist nur ein Zugeständnis an die alte christliche Religion. Eigentlich geht’s nur um meine Befindlichkeit. John Strelecky hat auch das Buch The Big Five For Your Life geschrieben. Darin meint er, man solle sich bezahlen lassen für das, was man tut, doch wichtiger sei es, seine persönliche Erfüllung in der Arbeit zu finden. Am besten beides. Was sind die fünf Dinge, die du im Leben erreichen willst?

Für mich ist das nicht mehr relevant. — Ich antworte trotzdem:

Ich will Weisheit erwerben; ich will möglichst viele vom Leben nach dem Tod unterrichten; ich will ein positiver, friedliebender und menschenliebender Mensch sein; ich will so frei sein, wie es geht; und ich will immer nach vorne schauen.       

 

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