Placebo/Nocebo (2)

Gehen wir zu den Fällen fünf bis acht, die Deepak Chopra in seinem Buch Creating Health vorstellt. Einer geht gut aus, zwei enden schlecht, und beim letzten, dem achten, weiß man nicht so recht … Ich hatte in meinem Buch Der Placebo-Effekt ja auch prägnante Geschichten geschildert, damit die Verbindung Geist/Körper deutlich wird.

Fall 5: Mrs Di Angelo, 63 Jahre alt, wurde mit Gelbsucht ins Krankenhaus eingeliefert. Sofort leitete man eine Operation ein, die klären sollte, ob die Frau an Gallensteinen litt. Indessen hatte sie Krebs der Gallenblase, der sich in der Bauchhöhle verbreitet und auch die Leber angegriffen hatte. Eine Operation war unmöglich. Die Frau kam in die Aufwachstation. Dr. Chopra informierte ihre Tochter, die sagte: »Ich kenne meine Mutter. Sie stirbt sofort, wenn Sie ihr sagen, dass sie Krebs hat.« Der Arzt sagte Frau Di Angelo also, es seien Gallensteine gewesen, die entfernt worden seien. Er rechnete für sich selber damit, dass ihr nur noch ein paar Monate blieben.

Acht Monate später kam die Frau wieder. Sie sah gesund und frisch aus. Keine Spur von Gelbsucht, keine klinischen Zeichen für Krebs. Einmal, drei Jahre nach der Gelbsucht-Geschichte, bedankte sie sich dafür, dass die Gallensteine entfernt worden seien. Sie habe danach beschlossen, von da an gesund werden zu wollen. Hier war, meinte Chopra, nicht ein Medikament das Placebo, sondern eine Operation. Und eigentlich seien es die Gedanken der Frau hinterher gewesen, die sie gesund gemacht hätten.

Fall 6: Mr Keller, ein 54 Jahre alter Geschäftsmann, hatte blutende Geschwüre am Zwölffingerdarm. Drei Mal waren sie aufgetreten, und immer im April. Der Arzt fragte ihn warum. Im April, klagte Keller, sei die Steuer fällig, und das mache ihm viele Sorgen. Die beiden fanden die Steuerausgleichsstelle, bei der man im voraus bezahlt und dann weniger Sorgen hat, und so, meinte der Erzähler, habe der Mann sich teure Krankenhausrechnungen erspart. Die Sorgen hätten sich eben am Magen bemerkbar gemacht.

Fall 7: Deepak Chopra arbeitete 30 Kilometer nördlich von Boston und hatte manchmal Dienst in der Kardiologie. Eines Sonntags bekam er einen alarmierenden Anruf von Mrs Johnson: Ihr Mann wolle sich selbst entlassen, obwohl bei ihm eine Bypass-Operation geplant war. Warum? Mrs Johnson: »Er kann Doktor W. nicht leiden.« Zu dem berühmten Doktor W. kamen sogar Filmstars, um sich operieren zu lassen, alle schwärmten von ihm. Und Doktor F., den der Mann bevorzugte, habe an dem Tag der geplanten Operation frei. Irgendwie schafften sie es, Mr Johnson zu dem Eingriff zu überreden. Doch dann gab es während des Eingriffs Komplikatioonen, und der Patient starb auf dem Operationstisch.

Fall 8: Diese Geschichte machte Deepak Chopra schwer zu schaffen. Er war jung und befand sich im vierten Studienjahr in Indien. Ins Krankenhaus wurde ein 70-jähriger Mann eingeliefert, Laxman Govindass. Er war schwer krank, gezeichnet durch jahrelangen Alkoholmissbrauch, und seine Angehörigen brachten ihn, den Bauern, in das supermoderne Krankenhaus mit den Worten: »Du gehst dorthin, um zu sterben.« Die Ärzte hatten natürlich immer viel zu tun, doch Deepak sprach des öfteren mit Laxman, und sie wurden Freunde. Dann jedoch wurde der Student abgeordnet und sollte einen Monat in einer 300 Kilometer entfernten Stadt Dienst tun. Dem armen Mann sagte er: »Wir sehen uns, wenn ich zurückkomme, also nach 30 Tagen, Mr Govindass.« Dieser war untröstlich: »Wenn du fortfährst, hab ich nichts, wofür es sich zu leben lohnt. Dann sterbe ich.« Deepak entgegnete ihm locker: »Das wär doch dumm. Du kannst genausogut sterben, wenn wir uns wiedersehen.«

Nach einem Monat war der Student überrascht, dass Govindass noch lebte. Er lag zusammengekrümmt in seinem Bett, in Embryo–Haltung sozusagen. Und er bestand nur noch aus Haut und Knochen. »Du bist zurückgekommen«, flüsterte er. »Du hast gesagt, ich kann nicht sterben, bis ich dich wiedersehe. Ich sehe dich jetzt!« Er schloss die Augen und war Sekunden später tot. Chopras Aussage hatte der Todkranke ernst genommen, er hielt den Tod fern, bis sein Freund wieder da war.

Vor Jahrzehnten wunderten sich japanische Ärzte, dass vor einem hohen Feiertag landesweit die Sterbezahlen rückläufig waren und danach sprunghaft anstiegen. Bis sie begriffen: Viele alte, kranke Menschen wollten diesen Tag noch miterleben, und danach ließen sie los.

 

 

 

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