Flugverkehr (164): Aufhebung der Schwerkraft

Magikon war 1840 die erste deutschsprachige Zeitschrift über paranormale Phänomene. Sie erschien bis 1853, herausgegeben von dem Arzt Justinus Kerner (1786-1862), und im ersten Heft stieß ich gleich auf den Beitrag Aufhebung der Schwerkraft. Das muss nun doch sein, ein Bericht aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts!

Die Zeitschrift trug den Untertitel »Archiv für Beobachtungen aus dem Gebiete der Geisterkunde und des magnetischen und magischen Lebens nebst andern Zugaben für Freunde des Innern Lebens«. Justinus Kerner betreute ja in Weinsberg (in der Nähe von Pforzheim) in den letzten beiden Jahren ihres Lebens Friederike Hauffe (1801-1829), die »Seherin von Prevorst«, eine unglaubliche Somnambule, über die er zwei Bücher schrieb, die zu Bestsellern wurden. Irgendwann kommt sie einmal dran, doch heute der Beitrag auf den Seiten 357 und 358 im ersten Band (1840) von Magikon. Die Zeitschrift wurde von der Universität Freiburg digitalisiert und ist hier zu lesen.

Aufhebung der Schwerkraft

DSCN5218Den neuesten Nachrichten aus Indien zufolge ist der Bramin, der sich durch unerklärbares Sitzen in der Luft auszeichnete, gestorben und hat sein Geheimniß mit ins Grab genommen. Nach der Erkläung eines Eingeborenen in der Calcutta-Literary-Gazette wird in den Schasters die Kunst, in der Luft (schwebend) zu sitzen, förmlich gelehrt, und es hängt davon ab, dass durch ein mühevolles Verfahren, Athemunterdrücken, Reinigen der Gefühle, die relative Schwere des Körpers vermindert wird. Schon Ibn Batula sah am Hof des Kaisers von Hindostan zwei Irdschies oder (sogenannte) Zauberer in ihren Mänteln sich in kubischer Gestalt hoch in die Luft erheben.

So lächerlich und unglaublich dieses Erzählung scheinen mag, so sehr gewinnt sie an Möglichkeit durch The_Seeress_of_PrevorstErscheinungen an der »Seherin von Prevorst«. Hielt Frau H. die Hände ins Wasser, so wurde es ihr bald ganz schwach. Trinken konnte sie bei Tage durchaus keine Flüssigkeit irgend einer Art, sie bekam dadurch jedesmal Schwindel. Sobald aber die Sonnen untergegangen war, konnte sie viele Flüssigkeiten ohne alle Beschwerden trinken. Bei Tage hatte sie aber auch bei der größten Hitze keinen Durst. So oft man sie (in ihrem magnetischen Zustande in Weinsberg) in ein Bad bringen wollte, zeigte sie die sonderbare Erscheinung, dass alle ihre Glieder, auch Brust und Unterleib, in ein willkührliches besonderes Hüpfen, in eine völlige Elasticität kamen, die sie aus dem Wasser immer wieder ausstieß. Gehülfinnen, die bei ihr waren, gaben sich alle Mühe, sie mit Gewalt in das Wasser zu drücken, aber ihre Schwerkraft schwebte immer nach oben, sie konnte nicht unten gehalten werden, und hätte man sie in einen Fluss geworfen, sie wäre wohl auch in diesem, so wenig als ein Pantoffelholz, untergesunken …

In Andreas Moller’s »Beschreibung Freibergs« ist die Geschichte einer Frau angeführt, die im Jahre 1620 lebte und im magnetischen Zustande war. Dort heißt es: »Sie ist in Beiseyn der beiden Diakonen Dachsel und Waldburg, urplötzlich im Bette mit dem ganzen Leibe, Haupt und Füßen bei dritthalb Ellen hoch aufgehoben worden, dass sie nicht mehr mit dem Bette zusammenhing, sondern frei schwebte, so dass es das Ansehen hatte, als wollte sie beim Fenster hinausfahren. Darauf empfing sie Waldburg, schrie mit den Anwesenden zu Gott und brachte sie wieder zurück. — Dass fromme Personen in der Inbrunst des Gebets oder entzückten Zustand über die Erde erhoben worden, und mehrere Schuh oder Ellen hoch so eine geraume Zeit in der Luft geschwebt, davon erzählt Beispiele Calmet (Abt zu Senones in Lothringen, Ord. S. Bened.) in seinem Buch von »Erscheinungen der Geister« (Übersetzung Augsburg, 1751) Th. I, S. 167 ff., der selbst solche Personen gekannt, und aus den Vollandisten.  

 

Das Bild der Hauffe ist ein Auszug eines Gemäldes von Gabriel von Max (1892). 

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