Geschichten vom Yeti und vom Bigfoot

Immer wieder erzählte man sich, in den Wäldern Nepals streife der Yeti umher, in den Vereinigten Staaten der Bigfoot, und in China gebe es noch Exemplare eines Wilden Mannes, Zwischenglied zwischen Affe und Mensch, der in der Wildnis überlebt haben soll. Es gibt dünnes Beweismaterial hierzu.

Ich hatte in meiner Zeit am Freiburger Institut viel darüber gesammelt, und das Material will endlich einmal verwendet werden. Zuletzt fand ich in dem Reisebuch Soul Mountain von Gao Xingjian etwas darüber. Der chinesische Autor erhielt 2000 den Literatur-Nobelpreis.

Bei strömendem Regen erreicht er Shennongja mitten in einem Waldgebiet, in dem man früher nur das Kreischen der Affen und das Brüllen der Löwen hörte. Er trifft den Sektionschef und seine Männer, und sie trinken erst einmal tüchtig und am folgenden Tag gleich wieder. Ob er den Wilden Mann gesehen habe? fragt Xingjian. Es sei besser, ihn nicht zu sehen, antwortet der Wildhüter. Der Wilde Mann sei über zwei Meter groß, habe langes Haar, und sein Körper sei mit rotem Flaum bedeckt. Wenn er einen stelle, schüttele er einen kräftig, bis einem schwindlig sei, dann ziehe er unter Gelächter davon. Man habe ihn kurz gesehen, besitze aber Fotos seiner Fußspuren. Xingjian:

Ich habe eine Ausstellung gesehen, die vermutlich die Wilde-Mann-Forschungsgruppe veröffentlicht hat, und ich habe vergrößerte Fotos der Fußspuren des Wilden Mannes. Sie hat auch ein Buch mit Material über den Wilden Mann veröffentlicht, das von Berichten aus früherer Zeit bis zu solchen über den Yeti und den Bigfoot reicht, Augenzeugenberichte eingeschlossen.

Eine Aufnahme von Leo Reynolds aus dem Londoner Film Museum

Im zehnten Jahrhundert erwähnte der arabische Schriftsteller Makdisi, der im Westen Afghanistans an der Caravanroute nach Indien lebte, einen wilden Mann, den er Nasra nannte. Er schrieb:

Eine Abart der Nasras findet man in den Pamirbergen und in den Wüstenregionen zwischen Kashmir, Tibet und China. Es sind dem Menschen gleichende Kreaturen, sind bis auf das Gesicht mit Haaren bedeckt und springen wie Gazellen. Viele Menschen aus jenen Gegenden sagten mir, dass sie diese Wesen jagen und verspeisen.

Der schwedische Naturforscher Carl Linné (1707-1778), der Ordnung in die Welt von Flora und Fauna brachte, schrieb das Buch Über Kreaturen, die dem Menschen ähneln. Darin nennt er 1735 das Wesen Homo Troglodytes Linnaeus und erklärt, es könne nicht sprechen, sei behaart und gehe zuweilen auf allen Vieren. 1856 wurden Überreste des Skeletts eines Neandertalers gefunden, von dessen Genossinnen und Genossen man annahm, sie seien vor 70.000 Jahren enstanden und vor 30.000 Jahren vom Homo sapiens verdrängt worden. Seither gab es immer wieder Geschichten um menschenähnliche Affen oder affenähnliche Menschen.

1887 sprach Lawrence Augustine Waddell, Major des Medizinischen Corps der britischen Indien-Armee, zum ersten Mal von einem Wildmenschen, der 1921 Abominable Snowman getauft wurde. (Später wurde er zum Yeti.) Wieder war es ein Journalist — Henry Newman vom Calcutta Statesman —, der den Begriff prägte. Darin sind Journalisten groß. 1939 gab es viele Bücher und Berichte (wieder die Epoche von King Kong und Tarzan).

Es gibt viele Zeugenberichte, kaum Fotos, aber dafür (nicht verifizierte) Skalps und Fußabdrücke des rätselhaften Wesens. Die Wissenschaft fordert ein lebendes Exemplar. Die einzigen Exemplare, von denen berichtet wuirde, verschwanden auf ungeklärte Weise, und wie bei »Nessie« gibt es einige mysteriöse Fotos, die viele Interpretationen zulassen.

Es hieß, die Sherpas sprächen vom Yeti wie von einem Tiger, und viele hätten ein Exemplar gesehen. In buddhistischen Tempeln sei er abgebildet: eine Art einem Bär ähnelnd, die andere einem großen Affen. Viele Sherpas glauben, dass der Yeti Unglück bringt; und dennoch war sein Fleisch angeblich Aphrodisiakum und Allheilmittel. In den 1950-er Jahren stellte die Regierung Nepals Jagdlizenzen zum Preis von 400 Pfund pro Yeti aus.

Der deutsche Paläontologie-Professor G.H.R. von Königswald fand 1938 in einem Souvenirladen in Hongkong drei Backenzähne, die drei Mal so groß waren wie die von Gorillas und sechs Mal so groß wie die von Menschen — von einem gigantischen Wesen zwischen Mensch und Affen, und nach seiner Meinung eine halbe Million Jahre alt. Es sei das missing link, das fehlende Verbindungsglied.

Lord John Hunt (1910-1998), der Leiter der britischen Everest-Expedition von 1953, fand in einer Höhe zwischen 4500 und 6000 Metern ebenso Fußspuren (Ichnogramme) wie Eric Shipton, H. W. Wilman und Sir Edmund Hillary. Lord Hunt will sogar zwei Mal den seltsamen hohen Ruf des Yeti gehört haben. 1981 noch sagte er:

Heute bin ich noch mehr davon überzeugt, daß sehr vieles für die Existenz dieses Lebewesens spricht. Es ist eindeutig kein Bär. Er gleicht eher einem Affen, doch die Chinesen glauben, es könnte eine primitive Menschenform sein.

In den USA wird vom Bigfoot gesprochen, der breite Schultern und einen kurzen Hals besitzen soll. Sein Gesicht sei flach, die Nase platt, er sei 2,30 Meter groß, ein Allesfresser und halte Winterschlaf. Er könnte in den unzugänglichen Bergen an der nordwestlichen Pazifikküste leben. Näheres sagt uns eine Seite der Bigfoot Field Researchers Organisation. Die Tötung eines solchen Geschöpfes gilt nach der Verordnung 69-01 (1969) der County Commissions von Skamania Country als Verbrechen, das 10.000 Dollar Strafe kostet oder Haft bis zu fünf Jahren.

Dabei können wir es eigentlich belassen. Wikipedia nennt ein paar Beobachtungen aus den vergangenen Jahren, und ein Fuß von 81 Zentimetern Länge und 38 Zentimetern Breite wie 2019 angeblich fotografiert würde auf ein riesenhaftes Wesen hindeuten …

Die Autorin Myra Shackley fragte sich:

Möglich ist: 1) Alles ist frei erfunden. Diese Lebewesen existieren nicht. 2) Die Lebewesen existieren wirklich und sind eine bislang unbekannte oder unklassifizierte Primatenform. 3) Es handelt sich um Rückschläge zu primitiven Typen, um verwilderte Menschen oder um Einsiedler bzw. Geisteskranke, die in der Wildnis hausen. Oder: Beim Bau der Großen Mauer flohen Arbeiter in die Wälder; ihre Nachkommen: die Yetis.

 

Verwendete Literatur:
Myra Shackley: Und sie leben doch, 1983;
Odette Tchernine: The Yeti, 1970;
Ivan T. Sanderson: The Abominable Snowman — Legend Come to Life, 1961. 

 

 

 

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