Der Tod fuhr mit

Reißerischer Titel! Wir hören von einem Schweizer, der ein halbes Jahrhundert den Formel-1-Rennsport (Sport, na ja …) begleitet hat. Roger Benoit ist heute 75 Jahre alt, und die Coopzeitung hat ihn für ihre Ausgabe vom 21. Mai interviewt. Das Gespräch führte Thomas Renggli.

Neben dem großen Bild des Journalisten (mit Zigarre! Leider fand ich kein Gratis-Bild) steht ein schönes Zitat von ihm:

Die Autos interessierten mich nie. Aber die Menschen hinter den Kulissen.

Der berühmte Le-Mans-Start beim gleichnamigen 24-Stunden-Rennen. Ist zwar nicht Formal 1, aber schön doch.

Die Formel 1 hat ihre Geschichte, und natürlich sind Benoit die Episoden in Erinnerung geblieben, in denen Rennfahrer starben. Früher fuhr der Tod tatsächlich mit; heute ist es ein großes Spektakel auf hohem technischen Niveau, in dem die Gefahren minimiert sind. Das Rennen wirdvon den Boxen aus über Funk bestimmt, der Fahrer ist hochbezahlter Angestellter. Es geht eigentlich ums Geld. Wer einen Platz in einem Team ergattern will, muss 20 Millionen mitbringen, sagte Benoit. Die Fahrkünste sollten dasein, sind aber zweitrangig.

Der Basler Roger Benoit kam 1969 als junger Mann zur Boulevardzeitung »Blick«, die Bild-Zeitung der Schweizer. Damals fuhren zwei Schweizer in der Formel 1, Jo Siffert und Clay Regazzoni. Die beiden hätten den Rennsport in der Schweiz »sozusagen zu einem nationalen Kulturgut« gemacht. Am 24. Oktober 1971 verunglückte Siffert in Brands Hatch tödlich. Benoit:

Ich war der Letzte, der mit Seppi geredet hat. 18 Minuten später wurde er mitten aus dem Leben gerissen. Seppis Tod ging mir sehr nahe. Sein Schicksal bewegte auch das ganze Land. 

Er erwähnte den Argentinier Juan Manuel Fangio, der von 1951 bis 1957 fünf Mal Weltmeister wurde, was erst Michael Schumacher übertraf. Er habe immer das beste Auto gehabt, habe aber auch Manöver »am Rande der Legalität« ausgeführt. Seine Geschichte sei tragisch: Schumacher habe 17 Unfälle überlebt und dann diesen Skiunfall vor zehn Jahren gehabt. Seither ist er anscheinend behindert; wäre er es nicht, würden wir von der Familie Nachrichten haben.

Juan Manuel Fangio, 1954 auf einem Mercedes-Benz-Rennwagen

Für denkwürdig hält der Journalist auch den 1. Mai 1994, als der beliebte Brasilianer Ayrton Senna in Imola starb.

Der Tod von Senna war eine Tragödie, welche die ganze Sportart erschütterte — ja die ganze Welt. Sie hätte nie geschehen dürfen. … Als am Samstag Roland Ratzenberger starb, wollte Ayrton Senna eigentlich aufhören. Da er aber die beiden ersten Rennen im Williams-Boliden punktelos geblieben war, startete er am Sonntag dann doch. 

Der Finne Kimi Räikkönen, 1979 geboren, wurde 2007 mit Ferrari Weltmeister. Benoit erzählte:

In seiner Biografie verrät er, dass er in einem Zeitraum vom 22. April bis zum 8. Mai 2012 sechzehn Tage in Folge betrunken war. Erst zwei Tage vor seinem nächsten Formel-1-Wochenende sei er wieder nüchtern gewesen.

Früher sei der Umgang zwischen Journalisten und Fahrern viel entspannter gewesen. Man kannte sich. Heute steuern Manager und Medienchefs alles, und die Fassungen d»Jochener Interviews wollen PR-Abteilungen durchlesen und korrigieren. Auch im Fußball ist das so. Ich erinnere mich, wie ein Journalist einmal sagte, in den 1970-er Jahren habe er in der Geschäftsstelle des FC Bayern angerufen und den Franz Beckenbauer am Telefon gehabt. Er fragte: »Franzl, gibt’s was?« Der Franzl sagte: »Na, ois klar.« Heute tummeln sich hunderte Medienvertreter schon beim Training der hochbezahlten Stars, an die man nicht mehr rankommt. Benoit:

Ich erinnere mich beispielsweise an den 5. September 1970 in Monza. Auf der Boxenmauer rauchte ich damals mit dem Deutschen Jochen Rindt eine Zigarre. Dann kam Jackie Stewart vorbei und rief: »Jochen, hör endlich mal auf mit dem Scheiss, sonst lebst du nicht mehr lange.« Drei Stunden später war Rindt tot — er wurde Opfer eines Unfalls. 

 

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